Der Nannen Preis - eine renommierte Auszeichnung für Journalistinnen und Journalisten - wird dieses Jahr einmalig unter einem anderen Namen verliehen. Hintergrund ist eine Debatte um die Rolle des Ex-»Stern«-Chefredakteurs Henri Nannen (1913-1996) in der NS-Zeit.
Das Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr teilte am Freitag mit, man habe gemeinsam mit dem zum Haus gehörenden Magazin entschieden, den Nannen Preis in der nächsten Woche (22. Juni) als »Stern Preis« zu verleihen - um »die Debatte um Henri Nannens Vergangenheit zu entschärfen«. Die Auszeichnung solle diejenigen glänzen lassen, für die einer der angesehensten Journalistenpreise des Landes da sei: herausragende Journalistinnen und Journalisten.
Gruner + Jahr kündigte weiter an, man werde ein Gremium berufen, das über die künftige Verwendung des Namens für den Preis und auch für die Henri-Nannen-Schule beratend tätig werde. Bis Jahresende werde man eine Entscheidung treffen.
Im Mai hatte ein Beitrag des Rechercheformats »STRG_F« des Norddeutschen Rundfunks (NDR) über bestimmte Details zur Vergangenheit Nannens im Zweiten Weltkrieg eine Debatte in der Medienbranche angestoßen. Zu seiner eigenen Vergangenheit hatte sich Nannen früher öffentlich mehrmals geäußert. Ebenso waren im »Stern« Beiträge über ihn erschienen. Ganz auf hörten die Debatten um Nannen nicht, punktuell keimten sie in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder mal auf.
Henri Nannen gilt als einer der bedeutendsten Journalisten der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik. Er ist über Jahrzehnte die prägende Figur des 1948 gegründeten Nachrichtenmagazins »Stern« gewesen, als dessen Initiator und Chefredakteur. Er war auch Herausgeber und im Verlagsmanagement tätig. Zu besten Zeiten hatte der »Stern« eine Millionenauflage.
In dem auf Youtube veröffentlichten »STRG_F«-Beitrag geht es um das Detail antisemitischer Propaganda-Flugblätter, die von der SS-Einheit »Südstern« stammen und im Zweiten Weltkrieg an der Front in Italien verteilt worden sein sollen. Der NDR-Beitrag weist Nannen eine wichtige Rolle bei der Konzeption der Flugblätter zu. In dem Beitrag werden antisemitische, rassistische und auch sexistische historische Auszüge von Flugblättern gezeigt, die archiviert wurden.
Der neue Vorsitzende der »Stern«-Chefredaktion, Gregor Peter Schmitz, schrieb danach in einem Artikel mit der Überschrift »Henri Nannen und wir« über die Flugblätter, diese Bilder seien eklig, sie seien widerlich, sie bedienten vor allem viele antisemitische Klischees. Schmitz schrieb auch: Als Magazin, das Henri Nannen geprägt hat, wolle man sich der Debatte stellen, »ob wir noch kritischer als bisher auf den (komplizierten) Menschen Nannen schauen müssen«.
Schmitz äußerte sich auch am Freitag in der Mitteilung des Verlagshauses, das zum Jahresbeginn mit RTL fusionierte: Nach der Verleihung am nächsten Mittwoch werde man sich die Zeit »für eine ruhige und gewissenhafte Beratung über den richtigen Umgang mit unserem Gründer« nehmen. »Außerdem werden wir uns im kommenden Jahr auch noch einmal intensiver mit den Anfangsjahren des »Stern« auseinandersetzen. Das ist keine Demontage und erst recht keine Kampagne – es ist eine der Grundtugenden des Journalismus: den Dingen auf den Grund gehen und abgewogen urteilen.«