Die Situation in Gaza müsse sich ändern. Gaza könne und dürfe kein Gefangenenlager bleiben. Starke Worte des neuen britischen Premierministers David Cameron, gesprochen während einer Stippvisite Ende Juli in der Türkei. Bevor der Staatschef, der seit knapp drei Monaten im Amt ist, in der Downing Street Nr. 10 residierte, klangen seine Äußerungen zu Israel und den Juden etwas verhaltener. »Ich bin ein großer Bewunderer des jüdischen Volkes und seiner außergewöhnlichen Leistungen«, lobte Cameron noch im April dieses Jahres in einer Rede vor Mitgliedern des britischen Movement for Reform Judaism. Doch von dieser Bewunderung ist derzeit nichts zu spüren. Was ist passiert? »Bis zu den Wahlen ging er in die richtige Richtung, was die Juden betraf«, erklärt der britische Jerusalem-Post- und Jewish-Chronicle-Korrespondent Richard Millett, »aber er hat sich nie zu Israel geäußert. Ich glaube, er versteht Israel nicht.« Kritik kam vom Oberrabbiner des Commonwealth, Lord Jonathan Sacks. Während eines Gottesdienstes am vergangenen Sonnabend in der Londoner St. John’s Wood Synagoge sagte Sacks, die jüdische Gemeinde sei über die Äußerungen des Premiers erschrocken. Er forderte, Cameron solle mehr Balance walten lassen, wenn er über den Nahen Osten rede.
Fettnäpfchen Große Sprüche sind inzwischen fast schon ein Markenzeichen des Premiers, der seit Amtsantritt außen- und innenpolitisch bereits in einige Fettnäpfchen getreten ist. Cameron entfesselte einen Sturm der Entrüstung mit seiner Behauptung, Pakistan unterhielte Verbindungen zu Gruppen, die den Export von Terror nach Afghanistan und Indien unterstützten. Dann erklärte er irrtümlich, Iran besäße eine Atombombe, und schließlich stieß er auch noch seine eigenen Landsleute vor den Kopf, indem er verkündete, dass Großbritannien im Zweiten Weltkrieg ein »Juniorpartner« der USA gewesen sei.
Es hat den Anschein, als ob der Brite es speziell auf Israel abgesehen hätte. Richard Millett findet: »Cameron zeigt jetzt sein wahres Gesicht. Er glaubt, Israel sei dafür verantwortlich, dass aus Gaza ein Gefangenenlager geworden ist, ohne die Rolle von Ägypten oder Hamas miteinzubeziehen. Er kritisiert Israels Angriff auf die Mavi Marmara, als ob britische Soldaten ein IRA-Schiff, das auf die britische Küste zusteuert, nicht geentert hätten.« Einige hatten diese Kursänderung des britischen Regierungschefs jedoch bereits vorausgeahnt. So warnte zum Beispiel Daniella Peled, Redakteurin des Institute for War and Peace Reporting, in der israelischen Zeitung Haaretz im April: »Es wäre falsch, zu glauben, dass die Konservativen automatisch die besten Freunde Israels sein werden, denn niemand weiß genau, wie die Außenpolitik der Tories aussieht. Wenn es um den Nahen Osten geht, wird die Sache noch unklarer.« Mit anderen Worten: Cameron ließ sich vor den Wahlen alle Türen offen. Ein typische Tory-Strategie, denn auch innenpolitisch hat der Oxford-Absolvent bereits einige überraschende Kehrtwendungen vollzogen.
Weltbühne Möchte man Camerons Verhalten Israel gegenüber verstehen, muss man einen Blick auf die Außenpolitik des früheren Labour-Premierministers Tony Blair werfen. Blair ist Camerons großes Vorbild – er hat aus diesem Grund bereits den Spitznamen »Tory Blair«. Wenn es um internationale Politik ging, hatte Blair zu allem und jedem eine Meinung, die er auch lautstark verkündete. Stets war er auf der politischen Weltbühne präsent – das Ziel: sich selbst in den Vordergrund zu rücken, was sich innenpolitisch gut machte und außerdem dafür sorgte, dass Blair auch nach seiner Zeit in der Downing Street noch erfolgreich ist. Offen ist, ob es sich bei Camerons kritischen Worten gegenüber Israel nur um ein kurzzeitiges Phänomen oder um eine grundlegende Kursänderun