Interview

»Das wäre eine Eskalation«

Terrorexperte Peter R. Neumann Foto: Laurence Chaperon

Herr Neumann, die Berichte über terroristische Aktivitäten des Iran gegen jüdische Ziele in Europa häufen sich. Wie bewerten Sie das?
Wir kennen zwar viele Einzelheiten und Hintergründe noch nicht, aber wenn die Berichte so stimmen, wäre das eine Eskalation vonseiten des iranischen Regimes oder zumindest gewisser Kreise dort. Denn bislang richteten sich die terroristischen Aktivitäten des Iran im Ausland in erster Linie gegen Oppositionelle. Sie waren also in gewisser Weise eine Fortführung der Innenpolitik mit brutalen Mitteln. Jetzt aber werden – falls die Berichte zutreffen – auch jüdische Ziele in Europa angegriffen. Das hat mit iranischer Innenpolitik nichts mehr zu tun, eher mit antisemitischer Ideologie.

Warum dieser Kurswechsel?
Das ist die spannende Frage. Eigentlich macht es für das Regime im Moment ja gar keinen Sinn, eine solche Eskalation zu betreiben. Es steht ja ohnehin gewaltig unter Druck, sowohl innen- als auch außenpolitisch. Man stelle sich nur einmal kurz vor, ein vom Iran in Auftrag gegebener Anschlag auf eine Synagoge würde tatsächlich gelingen. Dann wäre mit einem Schlag auch die westliche Verhandlungsbereitschaft über das Atomprogramm dahin, und nicht nur die.

Hat der Iran nicht schon öfter jüdische Ziele weltweit ins Visier genommen?
Ausspäh-Aktionen gab es, das ist richtig. Aber die wurden bislang eher Vorfeldorganisationen wie der Hisbollah überlassen. So konnte der Iran zumindest formell behaupten, man habe damit nichts zu tun. Klar war aber immer schon: Teheran hat israelische und jüdische Ziele im Ausland im Visier. Sollte Israel den Iran bombardieren, war stets die Drohung, dass es auch Anschläge in Europa geben würde. Dennoch haben sich zum Beispiel die Revolutionsgarden bislang eher im Hintergrund gehalten.

War Europa bislang zu blauäugig gegenüber dem Iran?
Das würde ich so pauschal nicht sagen, denn sonst wären die Anschlagspläne ja nicht vereitelt worden. Aber richtig ist auch, dass Europa nach wie vor darauf hofft, zu einem Übereinkommen mit dem Iran in der Atomfrage zu gelangen, und man auch ein bisschen versucht, die Konflikte mit Teheran herunterzuspielen. Solange der Iran unter einer gewissen Schwelle bleibt, sehen die meisten Europäer seine Aktivitäten hier nicht als einen Angriff auf Europa – so unangenehm das auch klingen mag. Erst, wenn der Iran tatsächlich einen Anschlag auf eine jüdische Einrichtung verübt, würden gewisse Dinge möglich, zum Beispiel die Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation auf EU-Ebene, die ich begrüßen würde. Es ist traurig, dass man in den ganzen Terrorismus-Debatten immer erst darauf warten muss, dass etwas Schlimmes passiert, bevor energisch gehandelt wird. Aber so ist leider die politische Logik.

Mit dem Terrorismusexperten und Professor am King’s College London sprach Michael Thaidigsmann.

USA

Hitlergruß: Nach Musk nun Bannon?

Steve Bannon, einst Chefideologe von Donald Trump, hat bei einer Rede vor rechten Aktivisten eine umstrittene Geste gezeigt

von Michael Thaidigsmann  21.02.2025

Berlin

»Welt«-Gruppe gedenkt der Bibas-Familie

»All jene, die in Deutschland den Islamismus verharmlosen oder relativieren, sollten in die Gesichter der Bibas Kinder sehen«, betont »Welt«-Chefredakteur Jan Philipp Burgard

 21.02.2025

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Demoskopie

Abstimmung gegen Antisemitismus?

So wahlentscheidend sind jüdische Themen

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Berlin

KZ-Gedenkstätten: Wählen gehen für die Demokratie

Rutscht die Gesellschaft weiter nach Rechts? Die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten sieht die Bundestagswahl als Chance, diesen Trend zu stoppen

 20.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

WHO

Polio-Impfkampagne im Gazastreifen geht weiter

Weil das Poliovirus wieder in Abwasserproben nachgewiesen wurde, sollen in Gaza erneut etliche Mädchen und Jungen gegen Kinderlähmung geimpft werden. Start der Kampagne ist bereits in wenigen Tagen.

 19.02.2025