Boycott, Divestment and Sanctions

»Das Verständnis fehlt«

Aliza Lavie über eine BDS-Aktion in Berlin und Israel- und Judenhass in Deutschland

von Ingo Way  26.06.2017 20:56 Uhr

Aliza Lavie Foto: Flash 90

Aliza Lavie über eine BDS-Aktion in Berlin und Israel- und Judenhass in Deutschland

von Ingo Way  26.06.2017 20:56 Uhr

Frau Lavie, Sie haben am Dienstag vergangener Woche an der Berliner Humboldt-Universität einen Vortrag gehalten und wurden von Vertretern der BDS-Bewegung niedergebrüllt. Was ist genau geschehen?
Ich kam als Teil einer Delegation von Jesch Atid nach Deutschland und war mit der Schoa-Überlebenden Deborah Weinstein an der Humboldt-Uni. Wir hatten tagsüber Gelegenheit, mit Studenten Gespräche zu führen, am Abend sollte ich dann einen Vortrag halten. Es fing auch gut an, viele Zuhörer waren gekommen, Studenten und auch ältere Leute. Ich begann mit meinem Vortrag, und nach etwa zehn Minuten begannen einige Leute zu schreien: »Mörder«, »Ihr habt Blut an den Händen«, »Nazis«. Die ganze Zeit saß Deborah neben mir. Auch sie wurde angeschrien. Die anderen Zuhörer waren schockiert.

Konnten Sie Ihren Vortrag zu Ende führen?

Ja, nachdem sie gegangen waren, machten wir weiter. Auch Deborah konnte noch sprechen. Anschließend gab es Fragen und Diskussionen. Die Leute waren wirklich sehr neugierig und engagiert. Es war eine gute Gelegenheit, darzulegen, wie wir uns seit Jahren um Frieden bemühen und Vorschläge machen. Anschließend wurde uns nahegelegt, nicht durch den Haupteingang hinauszugehen, weil dort noch ungefähr 15 BDS-Mitglieder warteten. Wir gingen also durch den Hintereingang hinaus, und ich fand es sehr schön, dass etliche der Zuhörer mit uns gingen und uns versicherten, wie leid ihnen der Vorfall tut.

Sie haben in Deutschland auch mit Politikern gesprochen?

Ja. Es war mein dritter Deutschlandbesuch. Ich hatte unter anderem einen Termin im Außenministerium. Vor zwei Monaten hatte Sigmar Gabriel Israel mit China und Russland verglichen. Das hatte mich sehr verwundert. Auch darüber haben wir gesprochen.

Sind derlei Vorfälle ein Symptom für eine neue Qualität des Antisemitismus?
Wir wissen, dass dies leider die Situation ist. Kürzlich gab es eine Beratung im Bundestag über den neuen Antisemitismusbericht. 40 Prozent der Deutschen mögen Israel nicht. Und es war kein leichter Moment, an derselben Universität, an der schon einmal Juden gedemütigt wurden, wo Bücher verbrannt wurden, so behandelt zu werden. Aber heute kämpfen wir gegen die, die uns hassen.

Was müssen die Deutschen selbst tun, um Israel- und Judenhass zu bekämpfen?
Vor allen Dingen müssen sie Verständnis und ein Bewusstsein für das Problem entwickeln. Ein Zeichen für das fehlende Verständnis ist der Eklat um den Dokumentarfilm des WDR, der zunächst nicht gesendet werden sollte.

Ist das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel weiterhin gut?
Auf jeden Fall. Es gibt enge Kontakte, auf staatlicher wie zivilgesellschaftlicher Ebene. Deswegen ist es auch für uns so wichtig, immer wieder nach Deutschland zu kommen und mit den Menschen zu reden. Wir brauchen mehr solcher Begegnungen.

Mit der israelischen Politikerin der Partei Jesch Atid sprach Ingo Way.

Meinung

Es geht um alles

Die Wahlerfolge der rechtsextremen AfD in Thüringen und Sachsen sind alarmierend. Nun wird in Brandenburg abgestimmt. Es wird höchste Zeit, dass die demokratischen Parteien die drängendsten Probleme lösen, anstatt vor ihnen aus ideologischen Gründen die Augen zu verschließen

von Philipp Peyman Engel  21.09.2024

Landtagswahl

»Dann bin ich weg …«

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke setzt alles auf eine Karte - wohl zum Missfallen von Kanzler Scholz

von Oliver von Riegen  20.09.2024

Hannover

Massive Störungen bei Vortrag einer 79-jährigen Israelin

Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen

 20.09.2024

Einspruch

Die Schöpfung bewahren

Nathalia Schomerus sieht auch die jüdische Gemeinschaft in der Pflicht, gegen die Klimakrise zu kämpfen

 20.09.2024

Berlin

Kai Wegner: Israelische Flagge vor Rotem Rathaus bleibt hängen

Der Regierende Bürgermeister macht klar: Ein »Genozid in Palästina« findet nicht statt

von Imanuel Marcus  20.09.2024

Interview

»Plötzlich war ich nur noch die Jüdin, die man loswerden will«

Sharon Spievak über antisemitische Anfeindungen an ihrer Hochschule

von Joshua Schultheis  20.09.2024

München

»Die große Masse sagt nichts gegen Judenhass«

Eine Kundgebung für eine Freilassung der Hamas-Geiseln soll die größte ihrer Art werden

von Imanuel Marcus  20.09.2024

Interview

»Die AfD will die Unregierbarkeit«

Gideon Botsch über die Landtagswahlen in Brandenburg, Zuwanderung und die Krise der Demokratie

von Michael Thaidigsmann  20.09.2024

USA

Trump: »Jüdisches Volk« hätte Mitschuld an Wahlniederlage

Der Kandidat: Die US-Wahlen seien »die wichtigsten in der Geschichte Israels«

von Imanuel Marcus  20.09.2024