Antisemitismus-Klausel

Das sind die juristischen Mängel

Kultursenator Joe Chialo (CDU) Foto: picture alliance/dpa

Es sollte der erste große Aufschlag des Berliner Kultursenators werden: Künstler, die Fördergelder von der Stadt bekommen wollen, müssen sich in Zukunft gegen Antisemitismus bekennen, verkündete Joe Chialo (CDU) am 4. Januar. Doch 18 Tage später ist die Antisemitismus-Klausel politisch tot, zumindest vorerst. Chialo musste sie »wegen juristischer Bedenken« aussetzen, wie er am Montag mitteilte. Es sei unklar, ob die Klausel in dieser Form überhaupt rechtssicher sei. Welche juristischen Bedenken es genau gebe, wollte die Kulturverwaltung trotz wiederholter Nachfrage nicht verraten.

Manche Beobachter fragen sich, ob Joe Chialo vor dem politischen Druck eingeknickt sei. Mehr als 3000 Künstler hatten ihm in einem offenen Brief vorgeworfen, »Gesinnungsschnüffelei« zu betreiben und die Kunst- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) warnte vor einem »Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen« in Deutschland. Die Vorwürfe hätten ihn sehr beschäftigt, konstatierte Joe Chialo am Montag in seiner Rede vor dem Kulturausschuss.

Ohne Not angreifbar gemacht

Für den Rechtsanwalt Patrick Heinemann sind die juristischen Mängel der Antisemitismus-Klausel offensichtlich: »Die Berliner Antisemitismus-Klausel ging zu weit, weil sie sich gegen Diskriminierung jeder Art wendete«, sagte Heinemann der Jüdischen Allgemeinen. »Dabei war eine zulässige Diskriminierung, also im Sinne einer gerechtfertigten Ungleichbehandlung, genau das Ziel der Klausel. Antisemitische Kunst sollte nicht mehr gefördert werden, andere schon.«

Juristisch sei es außerdem unklug gewesen, die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) als Grundlage der Klausel zu nehmen. »Damit hat sich der Kultursenator ohne Not angreifbar gemacht. Es wäre besser, die Klausel auf den Begriff Antisemitismus zu beschränken und den Gerichten die Entscheidung zu überlassen, was antisemitisch ist und was nicht«, so der Jurist. Grundsätzlich sei eine Antisemitismus-Klausel aber rechtlich nicht nur zulässig, sondern mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde sogar geboten, meint Rechtsanwalt Heinemann.

Wegner plant Änderung der Landesverfassung

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, hofft weiterhin auf eine juristische Lösung. »Ich bin Joe Chialo für seinen Vorstoß dankbar, auch wenn die Anwendung der Klausel nun vorerst ausgesetzt wird. Es bleibt zu hoffen, dass eine juristisch fundierte Lösung schnellstmöglich erarbeitet und umgesetzt wird«, so Schuster. Denn: »Der Kern der Klausel bleibt wichtig: die Verhinderung der staatlichen Förderung von menschenfeindlichen oder diskriminierenden Inhalten.«
Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigte am Dienstag an, die Landesverfassung ändern zu wollen, damit »politische oder religiöse Extremisten« nicht finanziert würden. Dafür braucht Wegner allerdings eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung der Linkspartei. Die hatte Kultursenator Chialo für die schnelle Einführung der Klausel kritisiert.

Für Remko Leemhuis, Direktor des American Jewish Committee Berlin, war es trotzdem richtig, dass die Berliner Landesregierung einen Schritt gegen Antisemitismus unternehmen wollte. »Denn bei aller berechtigten Diskussion ist es entlarvend, dass die Kulturszene ihre Kunstfreiheit gerade beim Thema Antisemitismus gefährdet sieht. Kaum denkbar wäre eine solche Empörung bei einer ähnlichen Klausel gegen Rassismus«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen.

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