Was in Sachsen in diesen Tagen passiert ist und wohl noch weiter passiert, macht mir große Angst. Das gilt nicht nur für die schlimmen Ausschreitungen in Chemnitz, das gilt leider auch für andere Entwicklungen.
Bislang konnten wir als Zivilgesellschaft meist noch deutlich machen, dass wir den Rechtsextremisten nicht das Feld überlassen wollen. Aber, und das hat vor allem Chemnitz gezeigt, wir erleben eine Eskalation und Radikalisierung in einem bislang nicht bekannten Maße. Wir sehen, wie schnell sich Rechtsradikale organisieren können. Das ist eine neue Qualität.
rechtsradikalismus Der Freistaat Sachsen muss darauf reagieren. Dass wir in Sachsen ein großes Problem mit Rechtsradikalismus haben, ist ja bekannt. Es soll auch niemand sagen, das habe alles nichts mit Juden zu tun. Am Rande der jüngsten Pegida-Kundgebung in Dresden fand sich ein Stand, an dem »Solidarität mit Ursula Haverbeck« gefordert wurde – das Milieu der Schoa-Leugner fühlt sich hier wohl. Und vieles von dem, was gegen Nichtdeutsche und ihren angeblichen Hang zur Kriminalität zu hören ist, erinnert fatal an die 30er-Jahre.
Sorgen macht mir die schweigende Mitte. Das sind die Leute, die das alles geschehen lassen, als ginge es sie nichts an. Aber wir brauchen auch diese Menschen: Ein Schulterschluss von Zivilgesellschaft, Staat und eben dieser bislang schweigenden Mitte ist nötig. Es gibt ja in Sachsen eine wache und aktive Zivilgesellschaft, bloß reicht deren Engagement nicht mehr aus.
Auch wenn ich Angst habe: Ganz pessimistisch müssen wir nicht sein. Es gibt Beispiele, etwa in Dresden am 13. Februar, wo dieser Schulterschluss funktioniert. Die Menschenkette gegen die Naziaufmärsche ist seit vielen Jahren solch ein Symbol und hatte immer die aktive Unterstützung der Stadtspitze. Die Politik, also auch der Freistaat, muss erkennen, dass sie nicht nur für Kontrolle und Ordnung zuständig ist, sondern dass sie auch als gesellschaftliche, demokratische Kraft gebraucht wird.
Die Autorin ist Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden und der Jüdischen Gemeinde Dresden.