Berlin

Das richtige Zeichen

Montagabend in Berlin: Das weltberühmte Wahrzeichen erstrahlt zum ersten Mal in den Farben Israels. Foto: imago

Am Sonntagvormittag fuhr ein palästinensischer Attentäter einen Lkw in eine Menschenmenge in Jerusalem und tötete vier Israelis, weitere 15 mussten mit teils schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Vier junge Menschen wurden auf grausame Weise aus dem Leben gerissen: Erez Orbach (20), Shir Hajaj (22), Yael Yekutiel (20) und Shira Tzur (20). Die Opfer waren junge Offiziersanwärter der IDF-Bildungseinheit, die auf der Haas-Promenade gerade aus dem Bus gestiegen waren. Gestoppt werden konnte die Terrorfahrt nur durch tödliche Schüsse, die Soldaten und ein Zivilist abgaben.

Die Durchführung des Anschlags legt nahe, dass die Propaganda des sogenannten Islamischen Staates (IS) den Täter zu diesem mörderischen Akt motiviert hat. Der IS ruft nachweislich dazu auf, jedes erdenkliche Mittel, explizit auch größere Fahrzeuge, als Terrorwerkzeug einzusetzen und sie in Menschenmengen zu steuern.

sicherheit Zwar hat es in Jerusalem immer mal wieder kleinere Attentate mit Autos und Baufahrzeugen gegeben, aber nachdem Israel die Gefahr von Selbstmordattentaten verhältnismäßig überzeugend in den Griff bekommen hat und die Achtsamkeit der Zivilbevölkerung vor Messerattacken gewachsen ist, stellt die Terrorpraxis, mit einem Lkw in eine Menschenmenge zu fahren, Israel vor eine erneute sicherheitstechnische Herausforderung. Nicht nur Israel: Die Anschläge von Nizza und dem Berliner Breitscheidplatz zeigen, dass es sich um eine neue Form des weltweiten Terrors handelt.

Das drückte auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck aus, der in einem Schreiben an den Berliner Senat um die Illuminierung des Brandenburger Tors in den Farben der israelischen Flagge gebeten hatte: Der Anschlag »erinnert uns an die Schrecken des Attentats am Breitscheidplatz und an den Terrorakt von Nizza. Dieser Terror meint uns alle. Jetzt ist unsere Solidarität mit den Opfern und Betroffenen vor Ort gefordert«.

Viele Deutsche, Nichtjuden und Juden, unterstützten spontan den Wunsch nach diesem Zeichen der Solidarität. Eine Internetpetition wurde noch am Abend der Terrortat mehrere Tausend Male unterzeichnet. Parallel wurde der zuständige Berliner Kultursenator Klaus Lederer in einem Schreiben von Berliner Bürgern gebeten, Israel in ebenbürtiger Form das Mitgefühl der Hauptstadt auszudrücken.

nationalfarben Denn zuvor war das Tor bei den zurückliegenden Anschlägen in Brüssel, Nizza, Paris, Berlin und Istanbul in den entsprechenden Nationalfarben erleuchtet worden. Nach dem Anschlag auf einen schwul-lesbischen Szeneclub in Orlando erstrahlte die Regenbogenfahne am Pariser Platz.

Nun also das Brandenburger Tor in Blau-Weiß: eine Geste, die auch in Israel und weltweit wahrgenommen wurde. Israels Premier Benjamin Netanjahu kommentierte die Solidaritätsbekundung auf Twitter: »Danke, Deutschland, dass ihr uns in unserem gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus zur Seite steht.«

Ja, es ist der gemeinsame Kampf. Der Jerusalemer Anschlag richtete sich nicht gegen eine Gruppe israelischer Soldaten. So wenig, wie sich der Anschlag von Berlin nur gegen deutsche Weihnachtsmarktbesucher und der von Nizza gegen französische Strandurlauber richtete. Nein, der Jerusalemer Anschlag richtete sich gegen uns alle, gegen unsere Lebensweise, unsere Freiheit, unsere Werte.

konsens Die Entscheidung für die Illumination des Brandenburger Tors ist richtig und gut. Öffentliche Solidarität mit Israel muss eine Selbstverständlichkeit sein – im Westen, in Europa, und gerade auch in Deutschland. Während in Jabel Mukaber, dem Stadtteil Jerusalems, aus dem der Attentäter stammte, Feuerwerkskörper »zur Feier« des Tages gezündet werden, die Hamas im Gazastreifen Süßigkeiten verteilt und von einer »heroischen« Tat spricht, die weitere Märtyrer ermutigen soll, signalisiert Deutschland, dass Solidarität mit Israel hier zum Konsens gehört.

Ein weiteres wichtiges Signal wird auch an alle diejenigen gesendet, die die Illumination zwar befürworteten, die Petition und den Brief an den Kultursenator aber nicht für sinnvoll erachteten: Es liegt an uns Bürgern, Amtsträger darauf aufmerksam zu machen, dass bestimmtes staatliches Verhalten eingefordert wird. Gerade für Juden ist es ein historisches Privileg, in zivilisierter Form und auf Augenhöhe den eigenen politischen Vorstellungen überhaupt Ausdruck verleihen zu können.

Die leuchtende israelische Flagge auf dem Brandenburger Tor symbolisiert, ungeachtet des traurigen Anlasses, einen Lichtstreifen am so häufig antiisraelisch und antijüdisch getrübten Horizont. Die demokratischen Mittel, den Lichtstreifen auszuweiten und auch in staatliches Handeln zu überführen, liegen bei uns: jüdische und nichtjüdische Bürger, für die Freiheit, Demokratie und Pluralismus universelle Werte darstellen und die Solidarisierung mit den Opfern des globalen Terrorismus, egal wo auf der Welt, eben integraler Teil dieses Wertekanons ist.

Der Autor ist Politikberater in München.

Meinung

98-mal Hoffnung

Melody Sucharewicz sieht die Hamas entschieden geschwächt und bangt mit ganz Israel um die Geiseln in Gaza

von Melody Sucharewicz  15.01.2025

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025

New York

46 Prozent aller Erwachsenen auf der Welt haben antisemitische Ansichten

Die Anti-Defamation League hat 58.000 Menschen in 103 Ländern befragt

 14.01.2025

NRW

NRW-Leitlinien für zeitgemäßes Bild des Judentums in der Schule

Mit Büchern gegen Antisemitismus: NRW-Bildungsministerin Feller hat zwölf Leitlinien für die Darstellung des Judentums in der Schule vorgestellt. Denn Bildungsmedien seien ein Schlüssel zur Vermittlung von Werten

von Raphael Schlimbach  14.01.2025

Faktencheck

Hitler war kein Kommunist

AfD-Chefin Weidel bezeichnet den nationalsozialistischen Diktator als »Kommunisten«. Diese These wird von wissenschaftlicher Seite abgelehnt

 14.01.2025

Berlin

Wegen Gaza-Krieg: Syrer beschädigt erneut Gebäude im Regierungsviertel

Erst das Innenministerium, dann der Amtssitz des Bundeskanzlers: Zweimal binnen weniger Tage fasst die Polizei in Berlin einen Mann, der wegen des Gaza-Kriegs wütet

 14.01.2025

Studie

Frauen und jüdischer Widerstand bei Schulnamen unterrepräsentiert

Welche Persönlichkeiten prägen die Namen deutscher Schulen? Eine Studie zeigt: Pädagogen spielen eine große Rolle. Frauen und Juden eher weniger

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025