Ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl sieht es nicht gut aus für die Piraten: Laut jüngsten Umfragen würde die lange erfolgsgewohnte Partei die Fünfprozenthürde nicht überspringen. Auch in Niedersachsen, wo an diesem Sonntag gewählt wird, dürfte es schwierig werden.
Dazu kommen die immergleichen Probleme mit Mitgliedern, die öffentlich Antisemitismus verbreiten. Aktuell gibt es im Kreisverband Köln den Fall einer Piratin namens Otla Pinnow. Sie war erst im vergangenen Jahr in die Partei eingetreten, nachdem sie 2011 die SPD »wegen Sarrazin« verlassen hatte. Die – nach eigenen Angaben – Islamwissenschaftlerin, deren Tochter »Halb-Araberin« ist, hatte im November einen Tweet des NRW-Landtagsabgeordneten Dietmar Schulz verteidigt, der getwittert hatte: »Grotesk: Gedenken der Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg auf jüdischem Friedhof, während Israel bombt, was das Zeug hält.«
Im Piraten-Forum schrieb Pinnow: »Der Gaza-Streifen ist ein Konzentrationslager.« Danach verteidigte sie sich, der Begriff »Konzentrationslager« sei etwas anderes als »KZ«. Auch von dem Begriff »Halbjude« mochte sie nicht lassen, denn: Das »jüdische Verständnis ist nicht maßgebend«, sondern »die deutschen Gesetze«.
rechtfertigung Für den jüdischen Piraten Peter Finkelgruen, der von Parteikollegen um eine Beurteilung des Falles gebeten wurde, steht fest, dass Pinnows Äußerungen antisemitisch sind. Mit ihren Rechtfertigungsversuchen betreibe sie außerdem klassische Inversion. Finkelgruen will trotz häufiger judenfeindlicher Äußerungen in der Partei bleiben. Konstant 20 Prozent der Deutschen seien antisemitisch, sagt der 70-jährige Journalist, »ich gehe nicht davon aus, dass das bei den Piraten anders ist«. Für ihn sei der Parteitag in Neumünster, der sich einstimmig gegen Antisemitismus aussprach, »eine der positivsten Erfahrungen seit Jahrzehnten in Deutschland« gewesen.
Am Montag stimmte die Kölner Kreismitgliederversammlung über das weitere Vorgehen ab. Das Ergebnis fiel apart aus: Mit Zweidrittelmehrheit distanzierte man sich von den antisemitischen Äußerungen Pinnows – und wies kurz darauf einen Antrag auf Parteiausschluss ab.
Derweil ereignete sich Anfang Januar ein anderer Skandal: Im Stadtrat des nordrhein-westfälischen Bad Salzuflen bildete der Piraten-Vertreter ausgerechnet mit dem parteilosen Friedrich Wilhelm Biermann eine Fraktion. Gegen das frühere Mitglied der Republikaner wurde erst 2009 wegen Volksverhetzung ermittelt, weil er in seiner eigenen Zeitung namens »Volkstribun« ein fiktives, wohlwollendes Interview mit Adolf Hitler geführt hatte. Der Kreisverband droht nun mit Parteiausschluss.