Anschlag auf Olympia 1972

»Das Loch in meinem Herzen wird niemals heilen«

Von diesen acht Mitgliedern der Olympia-Mannschaft Israels, die am 05.09.1972 von arabischen Terroristen als Geiseln genommen wurden, kamen sieben bei der Schießerei zwischen Terroristen und Polizei in der Nacht zum 06.09.1972 auf dem Flugplatz von Fürstenfeldbruck ums Leben. Es handelt sich um (von oben links nach unten rechts) um den Ringer Eliezer Halfin, der als Einziger überlebt, den Schießtrainer Kehat Shorr, den Leichtathletiktrainer Amitzur Shapira, den Gewichtheber David Berger, den Fechttrainer Andre Spitzer, den Ringer Mark Slavin und die beiden Gewichtheber Joseph Romano und Zeev Friedman. Foto: picture-alliance / dpa

Die bewegendsten Worte kommen am Ende: Beim Gedenken an die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 richtet Ankie Spitzer ihre Rede an ihren getöteten Ehemann André. »Als sie dich ermordet haben, haben sie auch einen Teil von mir getötet und von den Leuten, die Dich liebten. Sie ermordeten unsere Hoffnungen, unsere Träume, unsere Zukunft, aber nicht meine Liebe für dich«, sagt sie am Montag in Fürstenfeldbruck, wo der elf Mitglieder des israelischen Olympiateams und des deutschen Polizisten gedacht wurde, die bei dem Anschlag palästinensischer Attentäter starben.

GEISELNAHME An jenem 5. September 1972 waren die Attentäter am frühen Morgen im Olympischen Dorf in die Wohnungen der Sportler eingedrungen, vor deren Türen jeweils die Namen der Bewohner auf Tafeln notiert waren. Die Palästinenser erschossen zwei Männer direkt vor Ort, neun weitere hielten sie stundenlang gefangen, bis zu ihrer Ankunft am späten Abend am Flugplatz in Fürstenfeldbruck.

Von dort aus wollten sie mit einer Maschine nach Kairo fliegen, in die Freiheit, das Ergebnis langwieriger, zermürbender Verhandlungen. Bei der Gelegenheit hofften Polizei und Politik, die Geiseln befreien zu können - doch die Aktion endete in einem Blutbad. Die schreckliche Bilanz des Tages: Elf tote Israelis, ein toter Polizist und fünf getötete Attentäter.

»Man hätte gedacht, dass das machtvolle Deutschland alles in seiner Kraft tun würde, um nicht erneut jüdisches Blut auf seinem ohnehin schon blutigen Boden zu vergießen«, fasst Ankie Spitzer das Entsetzen der Familien der Opfer in Worte.

Auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog beschreibt sein Gefühl des Entsetzens, das er damals empfand. Man habe nicht fassen können, dass Sportler, Schiedsrichter und Trainer, Juden und Israelis auf deutschem Boden von Terroristen festgehalten werden. Und dann auch noch die zunächst verbreitete Falschmeldung, alles sei gut ausgegangen, die Geiseln in Sicherheit. Dann bald darauf der Schock: Alle tot. »Unsere Herzen wurden gebrochen, unsere Hoffnungen zerschlagen«, erinnert sich Herzog.

Wer war schuld, dass eine Befreiung der Geiseln misslang? Warum wurden die Attentäter nicht überwältigt? Warum kam es zu wilden Schusswechseln auf dem Flugplatz? Vieles ist bis heute nicht geklärt, Akten sind noch unter Verschluss. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nennt es dreifaches Versagen.

Die Gedenkzeremonie mit ernsten, klugen Reden, Gebeten und Musik ist ergreifend.

Die Geschichte des Olympia-Attentats sei »auch eine Geschichte von Fehleinschätzungen und von furchtbaren, von tödlichen Fehlern, ja, eines Versagens«, richtet er seine Worte an die Angehörigen: Die Vorbereitung der Spiele und das Sicherheitskonzept meint er damit ebenso wie die Ereignisse am 5. und 6. September selbst, als die Attentäter live im Fernsehen verfolgen konnten, was um sie herum geschah. Und schließlich: »das Schweigen, das Verdrängen, das Vergessen«.

FAMILIEN Ein Umstand, der vor allem den Familien stark zusetzte, die der Zeremonie in Fürstenfeldbruck zunächst fernbleiben wollten. Erst als die Bundesregierung zusicherte, ihr jahrzehntelanges Leid mit der Zahlung von insgesamt 28 Millionen Euro finanziell anzuerkennen, nahmen sie die Einladung an. Viele sind nun dabei, oft mit der Familie. Und auch wenn es in dem Festzelt heiß und stickig ist, ist die Gedenkzeremonie mit ernsten, klugen Reden, Gebeten und Musik doch feierlich und ergreifend.

»Ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten damals bei den Olympischen Spielen in München und für die mangelnde Aufklärung danach; dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist«, sagt Steinmeier. Worte, die Herzog dankbar nimmt und die er »mutig« und »historisch« nennt.

Ob die Angehörigen der Opfer nun ihren Frieden machen können? »Der Schmerz ihrer Familien ist in all den Jahren nicht milder geworden. Weil die Wunden nicht heilen konnten. Weil dem Wut im Wege stand, Verzweiflung und Frust«, betont Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Auch Ankie Spitzer kann nicht abschließen, auch wenn sie das nun oft gefragt werde. »Sie verstehen nicht, dass es nie einen Abschluss geben wird. Das Loch in meinem Herzen wird niemals heilen.« dpa

Reaktionen auf das Abkommen

»Ein Gefühl der Freude in den Adern des jüdischen Volkes«

Politiker und jüdische Organisationen weltweit haben mit Freude auf das Abkommen zur Freilassung der Geiseln reagiert – Donald Trump lobte sich selbst

 15.01.2025

Gazakrieg

Scholz: Waffenruhe Chance für dauerhaftes Kriegsende

Der Bundeskanzler reagiert erleichtert auf eine Einigung über einen Geisel-Deal zwischen Israel und der Hamas

 15.01.2025

Berlin

Berichte über Gaza-Deal: Jubel und Festnahmen in Neukölln

Israel und die Hamas haben nach Medienberichten eine Vereinbarung erzielt. Prompt zieht das auch Menschen in Berlin-Neukölln auf die Straße

 15.01.2025 Aktualisiert

Nahost

Trump über Geiseln: »Sie werden in Kürze freigelassen«

Der künftige US-Präsident Donald Trump äußert sich zum Abkommen zwischen Israel und der Hamas

 15.01.2025

Gazakrieg

Berichte: Einigung über Geisel-Deal erzielt

Israel und Hamas sollen sich auf eine Feuerpause und auf ein Abkommen zur Freilassung von Geiseln verständigt haben

 15.01.2025 Aktualisiert

Washington D.C.

Trump-Berater: Hamas darf keine Rolle in Gaza spielen

Als Sicherheitsberater stand Mike Waltz früh für Trumps neue Regierung fest. In einem Podcast skizziert er schon einmal die Stoßrichtung der USA in Bezug auf die Lage in Nahost

 15.01.2025

Meinung

98-mal Hoffnung

Melody Sucharewicz sieht die Hamas entschieden geschwächt und bangt mit ganz Israel um die Geiseln in Gaza

von Melody Sucharewicz  15.01.2025

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025