Wenn Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah erst mal so richtig in Fahrt ist, dann hält ihn nichts und niemand auf. Am Wochenende war es wieder so weit. Der aus Angst vor israelischen Angriffen selten in der Öffentlichkeit auftretende Führer der Schiitenmiliz erklärte via Fernsehen der »libanesischen Nation«, wie es sich denn mit dem Sondertribunal in Den Haag so verhalte: nämlich fies und gemein. Die UN-Untersuchungskommission zum Mord an Ex-Premier Rafik Hariri vor fünf Jahren sei nichts anderes als eine »israelische und amerikanische Verschwörung«. Es gehe allein darum, die Würde der Hisbollah, ihre Existenz und ihr Ansehen in den Dreck zu zerren. Aber er werde das keinesfalls einfach so hinnehmen, so wahr ihm Allah helfe. Im Grunde war das inhaltlich nichts wirklich Neues. Schon mehrfach hatte der bärtige Geistliche herumschwadroniert, dass es die Hisbollah mit einem gezielten Angriff des kleinen und großen Satans zu tun habe. Die Untersuchung des Anschlags sei ein Komplott gegen ihn und seine »Partei Gottes«, das keinesfalls ungesühnt bleiben dürfe.
tiefschlag Gewohnt martialische Worte, möchte man meinen. Doch der 50-Jährige machte, wie er so auf dem Bildschirm daherkam, einen besonders aggressiven Eindruck. Kein Wunder. Dieser Tage könnte dem Vernehmen nach der Anklagevertreter des »Sondertribunals für den Libanon« seine Ermittlungsergebnisse vorlegen. Und viel spricht dafür, dass die Fahnder klarmachen werden, wen sie für den Mörder von Rafik Hariri und seinen 22 Begleitern halten: Mitglieder der Hisbollah. Für Nasrallah wäre das ein Tiefschlag. Denn der Nimbus, die Schiitenmiliz diene allein den Interessen des Volkes und der arabischen Straße, wäre dahin. Der blutige Anschlag auf einen beliebten Politiker ließe sich mit diesem ohnehin verlogenen Anspruch schwerlich vereinbaren. Das weiß auch der charismatische Hisbollah-Chef. Deshalb setzt er derzeit im Zedernstaat auf das, was er am besten kann: destabilisieren und spalten. Die Regierung von Ministerpräsident
Saad Hariri, Sohn des ermordeten Premiers, ließ Nasrallah durch den Rückzug seiner elf Minister vor einigen Tagen platzen. Nicht wenige fürchten, dass dem Libanon nun erneut ein blutiger Bürgerkrieg droht. Eine solche Krise hätte fatale Folgen – weit über den Libanon hinaus. Und das unterscheidet diesen Konflikt von dem, der gerade in Tunesien ausgetragen wird.
aufgerüstet Nasrallah wird sich nicht scheuen, auf Gewalt zu setzen, um von den eigenen Schandtaten abzulenken. Und kein Gegner bietet sich dafür besser an als der jüdische Staat, der Todfeind der Hisbollah. Seit dem Ende des Libanonkriegs im August 2006 hat die Terrormiliz wieder munter aufgerüstet. Unter den unaufmerksamen Blicken der ohnehin harmlosen UN soll eine ungeheure Menge an Waffen ins Land geschmuggelt worden sein. Experten halten die Gotteskrieger militärisch für stärker denn je. Was Schlimmes befürchten lässt. Schon einmal hat die Hisbollah Israel so sehr gereizt, dass Jerusalem nicht umhin konnte, einzuschreiten. Diese Erfolg versprechende, weil mehrfach erprobte Taktik hat aus Nasrallahs Sicht gleich mehrere Vorteile. Er kann zum einen seine militärische Stärke unter Beweis stellen und damit auch in Richtung Beirut signalisieren: An mir kommt in Machtfragen keiner vorbei. Zum anderen verheißt ein Waffengang gegen das verhasste Israel einen Popularitätsschub, mit dem sich das verloren gegangene Vertrauen der libanesischen und arabischen Bevölkerung womöglich zurückgewinnen ließe. Ein hochexplosives politisch-ideologisches Gemisch. Schade nur, dass der Westen davon offenbar noch wenig mitbekommen hat.