Hermann Röchling war Kriegsverbrecher. Schon 1919, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, war der saarländische Industrielle wegen Zerstörung französischer Fabriken in Abwesenheit zu »schwerem Kerker« verurteilt worden. Und 1949 sprach ihn ein französisches Militärgericht in Rastatt schuldig: Wegen »Verbrechen gegen die Menschheit« und »Einfluss auf Verschleppung zur Zwangsarbeit« sollte er zehn Jahre ins Gefängnis.
1956, pünktlich ein Jahr nach seinem Tod, wurde der Völklinger Stadtteil Bouser Höhe in Hermann-Röchling-Höhe umbenannt. Alle Beteiligten wussten, dass Röchling Nazi war und von Krieg und Vernichtung profitiert hatte. »Ein katastrophales Signal« war das, sagt Richard Bermann. Er und die Synagogengemeinde Saar, der er vorsteht, kämpfen für die Umbenennung des Stadtteils.
Nach einem Vorstoß der Linkspartei Anfang 2012 sah es auch zunächst so aus, als könne der Ortsteil wieder als Bouser Höhe firmieren – benannt nach dem benachbarten Ort Bous, der im Übrigen aufgrund des »ou« den Nazis zu französisch klang, weswegen sie die Ortsbezeichnung 1935 in »Buß« änderten. Seit 1945 heißt die Gemeinde wieder Bous.
Kriegsverbrecher Doch seit 1956 hat Völklingen die Hermann-Röchling-Höhe. Deren Name verweist darauf, wie »vielfältig die Familie Röchling in die Kriegsmaschinerie verstrickt war«, sagt Richard Bermann. Schließlich war auch dem Neffen und dem Schwiegersohn Hermann Röchlings als Kriegsverbrecher der Prozess gemacht worden, beide wurden, ebenso wie zwei Direktoren der Werkes, schuldig gesprochen.
Hermann Röchling war trotz des Urteils nie im Gefängnis. Der ehemalige Wehrwirtschaftsführer verbrachte lediglich zwei Jahre sogenannter Ehrenhaft in einem Freiburger Diakonissenheim. Sein Unternehmen, die Völklinger Hütte, ging nach seinem Tod an die Familie zurück. Die Leitung übernahm Neffe Ernst Röchling, der zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Hermann Röchling selbst hatte sich schon 1935 bei Adolf Hitler persönlich dafür eingesetzt, dass aus dem Saarland kein »jüdischer Naturschutzpark« werde. 1936 hatte der Industrielle den Diktator in einer Denkschrift zum Krieg gegen die Sowjetunion aufgefordert, um »das Judentum der Welt« zu bekämpfen.
All das war 1956 bekannt. Der mit einem eigenen Stadtteil geehrte Röchling hatte auf Weisung der französischen Behörden auch nach 1945 das Saarland nicht mehr betreten dürfen. Er starb 1955 in Mannheim. Gleichwohl wurde er derart prominent geehrt. Schließlich hatte der Industrielle 1937 Wohnungen für seine Arbeiter bauen lassen. Dass er gleichzeitig Transporte von Zwangsarbeitern zu den metallverarbeitenden Fabriken an Rhein und Saar organisiert hatte, wurde ebenso verdrängt – wenn nicht gar gebilligt – wie die Tatsache, dass Röchling in seiner Völklinger Hütte einen aus SS-Männern bestehenden Werkschutz zur Bewachung Verschleppter aufstellte.
Anwohner Sogar ein Schnellgericht ließ er installieren, das Verurteilte ins Arbeitserziehungslager Etzenhofen, auch direkt in ein Vernichtungslager, überstellen ließ. In Etzenhofen waren die Zustände derart grauenvoll, dass sich Augenzeugenberichten zufolge einmal die durch Schreie der Misshandelten verstörten Anwohner auf einem benachbarten Hügel versammelten, um die Wachmannschaften zu beschimpfen.
Erst nachdem die ARD im Jahr 2000 über die Taten Röchlings berichtete, regte sich in Völklingen Unmut. Doch die Lokalpolitiker konnten sich nicht auf den historischen Namen Bouser Höhe einigen. Und eine Volksabstimmung wollte man schon gar nicht, da angeblich mehr als 90 Prozent der Einwohner die Hermann-Röchling-Höhe beibehalten wollten. Gestritten wird mit bizarren Argumenten: etwa mit der Behauptung, eine Umbenennung gefährde den Status der Völklinger Hütte als Weltkulturerbe – eine Falschinformation, die die UN-Kulturorganisation Unesco sofort zurückwies.
SPD, CDU und FDP erreichten am 30. Januar einen aparten Kompromiss: Der Vorname wurde gestrichen, nun soll der Ortsteil in Erinnerung an die Verdienste der Familie nur noch Röchling-Höhe heißen. Nicht nur wegen seiner genauen Kenntnis dieser »Verdienste« sagt Richard Bermann: »Wir werden weiter kämpfen.«