Vereinte Nationen

»Das Internet mit Liebe überfluten«

Sitzungssaal der UN-Vollversammlung in New York (Dezember 2018) Foto: dpa

Die Reihen im altehrwürdigen New Yorker Sitzungssaal der Vollversammlung der Vereinten Nationen waren am Mittwoch nur spärlich besetzt. Eine dreistündige informelle Debatte zum Thema Antisemitismus und Hate Speech stand auf der Tagesordnung. Die Präsidentin des obersten UN-Gremiums, María Fernanda Espinosa Garcés aus Ecuador, hatte eingeladen, und sogar UN-Generalsekretär António Guterres war gekommen, um so die Wichtigkeit des Themas für ihn persönlich zu unterstreichen.

»Antisemitismus ist Teil des Mainstreams geworden«, sagte Espinosa den Vertretern der 192 Mitgliedsstaaten. Guterres stieß ins gleiche Horn. »Hitler wurde besiegt, Antisemitismus aber nicht«, sagte der Portugiese. Er habe die gesamte UN-Verwaltung angewiesen, der Bekämpfung von Hassrede Priorität zu geben. Die großen Betreiber sozialer Netzwerke forderte Guterres auf, mehr zu tun für Sicherheit und Menschenrechte.

Terror Mit bewegenden Worten schilderte Rabbi Yisroel Goldstein, wie während des Pessach-Gottesdienstes am 27. April ein 19-jähriger Terrorist in die Chabad-Synagoge in Poway bei San Diego eingedrungen war und auf die Anwesenden geschossen hatte. Lori Kaye kam bei dem Angriff ums Leben. Goldstein verlor seinen rechten Zeigefinger bei der Attacke.

»In jeder Generation gibt es Angriffe auf uns Juden. Aber nichts wird uns stoppen!«, rief der Rabbiner den Delegierten zu. Man dürfe nicht defätistisch werden, sondern müsse seinen jüdischen Glauben umso offener zeigen und leben.

Beim Antisemitismus gehe es nicht nur um Juden, sondern um die Zukunft der Menschheit. Goldstein forderte, das Internet nicht den Hassern zu überlassen oder Dunkelheit mit mehr Dunkelheit zu bekämpfen, sondern es stattdessen »mit Mitgefühl und Liebe zu überfluten, mit einer Milliarde guter Taten«. Kindern sollte jeden Tag beigebracht werden, dass alle Menschen Gottes Geschöpfe sind.

»In jeder Generation gibt es Angriffe auf uns Juden. Aber nichts wird uns stoppen!«, rief der Rabbiner den Delegierten zu.

Zukunft Für die Europäische Union trat die Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein ans Rednerpult. »Mit jeder Medienrevolution in der Geschichte gingen nicht nur Fortschritte, sondern auch negative Aspekte einher. Im 15. Jahrhundert bei der Erfindung des Buchdrucks die Verbreitung von Theorien, dass Juden Brunnenvergifter und Kindermörder seien.

Im 20. Jahrhundert wurden dann Radio und Fernsehen als Instrumente für antisemitische Propaganda genutzt. Heute gibt es im Internet eine unheilige Allianz von Neonazis, Islamisten und Linksextremisten, die glauben, dass eine jüdische Verschwörung Regierungen, Wirtschaft und Medien kontrolliert. Ihre Feinde nennen sie ›Rothschild‹, ›Soros‹, ›Zionisten‹ oder den ›jüdischen Staat‹», so von Schnurbein.

Europa verfahre nach dem Prinzip, dass das, was offline illegal ist, auch online nicht zulässig sei. »Unser Ziel darf nicht nur sein, den Antisemitismus einzudämmen. Wir müssen ihn zurückdrängen«, so die deutsche EU-Antisemitismusbeauftragte.

Der UN-Beauftragte für Religionsfreiheit, Ahmed Shaheed, rief alle UN-Mitgliedsstaaten auf, die IHRA-Antisemitismusdefinition anzunehmen. Der Politiker von den Malediven will im September der Vollversammlung einen Bericht zum Antisemitismus weltweit erstatten und einen Überblick über das Ausmaß der Bedrohungslage geben.

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert