Die Ziele sind klar definiert. »Wir wollen die Arbeit der IHRA noch bekannter machen als bisher und helfen, ihre Ansätze in den Bereichen Holocaust-Gedenken, Forschung und Bildung verstärkt in die Gesellschaften der 34 Mitgliedstaaten der Organisation hineinzutragen«, bringt es Michaela Küchler, Sonderbeauftragte für Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Holocaust-Erinnerung, Antisemitismusfragen und internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma im Auswärtigen Amt, auf den Punkt. Der Leugnung und Verharmlosung der Schoa müssen Konzepte einer nachhaltigen Erinnerungskultur entgegengestellt werden.
»Deshalb wollen wir den internationalen Austausch stärken«, sagt Küchler bei der feierlichen Übergabe des IHRA-Vorsitzes von Luxemburg an Deutschland im Festsaal des Abgeordnetenhauses Berlin. Dies gilt für ein Jahr. Dann wird der Stab an Griechenland weitergereicht.
GEDENKJAHR »Deutschland hat sich ganz bewusst entschieden, im Gedenkjahr 2020 den Vorsitz der IHRA zu übernehmen«, betont Michael Roth. »Wir stellen uns damit unserer historischen Verantwortung und setzen bewusst ein Zeichen in diesen Zeiten, in denen Freiheit, Demokratie und Vielfalt massiv unter Druck geraten sind«, betont der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. »Alle Mitgliedstaaten der IHRA haben sich dazu verpflichtet, sich ihrer jeweiligen Geschichte zu stellen, indem sie kritisch und wahrheitsgemäß das historische Erbe aufarbeiten. Wir wissen in Deutschland nur zu gut, dass dies ein langer, schmerzhafter Prozess ist.«
Umso wichtiger ist es, die Arbeit zu vernetzen, um Strategien gegen den neuen und alten Antisemitismus zu entwickeln. Und da kommt die IHRA ins Spiel. »Wir müssen dabei international zusammenstehen.« Dazu unterstützt das Auswärtige Amt die Einrichtung einer Global Task Force gegen Holocaust-Verfälschung mit internationalen Experten mit insgesamt einer Million Euro.
Es ist wichtig, die Arbeit zu vernetzen, um Strategien gegen den neuen und alten Antisemitismus zu entwickeln.
Auf die vergessenen Orte der Schoa und des Genozids an den Sinti und Roma wies Luxemburgs Botschafter Georges Santer hin. In seiner Zeit des IHRA-Vorsitzes sah er es als seine Aufgabe, diese zurück in das Bewusstsein zu bringen. »Dabei richtete sich unser Fokus vor allem auf die Region südöstliches Europa.« Wie schwierig es dabei war, bestimmte nationale historische Diskurse, die Minderheiten wie Juden oder Sinti und Roma in einem schlechten Licht zeigten, zu bekämpfen, davon konnte er eine Menge berichten.
STRAFRECHT Sowohl Küchler als auch Santer betonen dabei die Bildungsarbeit und die Formulierung von entsprechenden Richtlinien, die dann in den Curricula der einzelnen Mitgliedsländer implementiert werden sollen – auch in Deutschland.
Genau deshalb begrüßt der Zentralrat der Juden in Deutschland die Vorhaben der Bundesregierung, die IHRA-Empfehlungen für den Unterricht zu verbreiten sowie an einer Definition von Antiziganismus zu arbeiten.
Auch die geplante Neuerung im Strafrecht (§ 46 StGB) sei dringend erforderlich, damit antisemitische Motive explizit strafverschärfend wirken. »Die Hoffnungen der jüdischen Gemeinschaft in den deutschen IHRA-Vorsitz sind nicht gerade klein«, sagt Abraham Lehrer, der Vizepräsident des Zentralrats. »Aber wir sind überzeugt davon, dass Deutschland wie auch zuvor Luxemburg eine Menge bewegen kann.«