Medien

Das Gerücht von der jüdischen Lobby

Spiegel-Logo am Verlagshaus in Hamburg Foto: dpa

Die Überschrift auf Spiegel Online verspricht Brisantes: »Lobbyismus im Bundestag: Wie zwei Vereine die deutsche Nahostpolitik beeinflussen wollen – Ein deutsch-jüdischer und ein proisraelischer Verein haben im Bundestag ein enges Netzwerk gespannt – mit fragwürdigen Methoden.«

Auf drei Seiten beschäftigen sich dann immerhin sechs Autoren in der Printversion mit dem, was sie wahlweise »offensive Lobbyarbeit« oder »aggressive Lobbymethoden« nennen. Dabei dreht sich alles um die WerteInitiative e.V. sowie Naffo – Nahostfriedensforum e.V., die zu »Frontorganisationen« der israelischen Regierung erklärt werden, bei denen womöglich »selbst der Geheimdienst Mossad« die Hände mit im Spiel haben könnte.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

RAUNEN Beide werden als Strippenzieher präsentiert, die unter anderem dafür gesorgt hätten, dass der Deutsche Bundestag Mitte Mai mit großer Mehrheit und fraktionsübergreifend die Resolution gegen die israelfeindliche und in ihren Methoden und Zielen antisemitische Boykottbewegung BDS verabschiedet hatte. Will man dem Artikel Glauben schenken, dann standen so manche Abgeordneten »auch aus Angst, als Antisemiten zu gelten« nicht wirklich hinter dieser Entscheidung. Offenkundig sei Druck ausgeübt worden. Zudem würde der Text der Resolution in seinem Wortlaut auffallend den Forderungen nach einer Verurteilung der BDS-Bewegung gleichen, wie sie von der WerteInitiative immer wieder artikuliert wurden.

»Warum, fragen sich nicht wenige Parlamentarier, war eine eigene Resolution für eine in Deutschland unbedeutende Initiative nötig? Und wie würde sie sich auf die Zusammenarbeit deutscher Stiftungen mit palästinensischen NGOs auswirken?«, fragen die Autoren. Antworten oder einen erklärenden Kontext bleiben sie jedoch dem Leser schuldig.

Belege legen die sechs Journalisten in ihrem dreiseitigen Bericht nicht vor. Es bleibt beim Gerücht von der jüdischen Lobby.

Dafür warten sie mit einer weiteren Behauptung auf: Die Tatsache, dass Deutschland 2019 erstmals gegen eine jedes Jahr von einigen arabischen Staaten bei der Weltgesundheitsorganisation WHO eingebrachte Resolution gestimmt hatte, die eine eindeutig antiisraelische Schlagseite hat, konnte wohl ebenfalls nicht mit rechten Dingen zugegangen sein – und ginge wohl gleichfalls auf das Konto der »gut vernetzten« jüdischen Vereine.

»AUSGEWOGEN« Als Kronzeugen für ihre Behauptungen führen die Autoren Niels Annen an, immerhin Staatsminister im Auswärtigen Amt. Der SPD-Politiker erklärte die WerteInitiative und Naffo für »problematisch«, weil sie seiner Auffassung zufolge die »ausgewogene« Politik Berlins im Nahen Osten stören würden. Was Annen unter Ausgewogenheit versteht, konnte man sehr gut im Februar dieses Jahres sehen, als er die Einladung der Botschaft des Irans zu den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Islamischen Revolution annahm.

Naffo-Geschäftsführerin Mirjam Rosenstein und WerteInitiative-Gründer Elio Adler bewerten den Spiegel-Text als eine Verleumdung. »Der Artikel verwendet extreme Doppelmaßstäbe«, so Rosenstein in der »Bild«-Zeitung. Naffo nehme zu politischen Fragen Stellung und treffe sich mit Politikern, so wie es jeder Interessenverband von der Automobilindustrie »bis zum Kaninchenzüchterverein« tue. Alles sei transparent und nachvollziehbar.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Für Elio Adler ist der Beitrag in dem Nachrichtenmagazin hochproblematisch, wie er es gleichfalls gegenüber »Bild« auf den Punkt brachte. Vieles erinnere an das alte judenfeindliche Klischee von der jüdischen Weltverschwörung, die mit ihrem Geld Politiker einfach kaufen würden. »Der Artikel bedient und füttert diese antisemitische Mär«, betont Adler. »Ohne dieses widerliche Bild würde der Artikel kaum ›funktionieren‹«

REAKTIONEN Interessant ist ebenfalls die Historie der Überschrift auf Spiegel Online. Denn zuerst lautete das Ganze folgendermaßen: »Lobbyismus im Bundestag: So steuern zwei Vereine die deutsche Nahostpolitik«. Nach den ersten negativen Reaktionen wurde diese dann etwas abgeschwächt, jetzt »beeinflussen« WerteInitiative und Naffo nur noch.

Unabhängig davon fällt auf, dass der gesamte Text ohne Fakten und Argumente daher kommt und auffällig oft Formulierungen wie »der Verdacht liegt nahe« und den Konjunktiv benutzt – es bleibt beim Gerücht von der jüdischen Lobby.  ja

Meinung

Nan Goldin: Gebrüll statt Kunst

Nach dem Eklat in der Neuen Staatsgalerie sollte Direktor Klaus Biesenbach zurücktreten

von Ayala Goldmann  25.11.2024

ICC-Haftbefehl

Irans »Oberster Führer« fordert Todesstrafe für Netanjahu

Der vergangene Woche erlassene Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsident Netanjahu reicht Ayatollah Ali Khamenei nicht aus. Er will eine weitaus drastischere Strafmaßnahme

 25.11.2024

Dubai

Iran weist Verantwortung für Tötung eines Rabbiners zurück

Nach dem Fund der Leiche eines israelischen Rabbiners fällt der Verdacht schnell auf den Iran. Teheran nimmt Stellung

 25.11.2024

Krieg in der Ukraine

Bericht: Söldner aus Jemen helfen Russland im Ukraine-Krieg

Russland soll angeblich jemenitische Huthi-Milizen für den Krieg gegen die Ukraine rekrutieren

von Günther Chalupa, Holger Mehlig  25.11.2024

München

Bayerns Ministerpräsident Söder übt scharfe Kritik am Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu

»Das Gericht hat sich massiv selbst beschädigt«, betont der CSU-Politiker - und gab eine klare Antwort auf die Frage, ob Netanjahu auf deutschem Boden verhaftet werden sollte

 24.11.2024

Gemeinden

Blick auf ein besonderes Jahr

Die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagte in München. Für große Begeisterung im Saal sorgte die Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder

von Katrin Richter  24.11.2024

Vereinte Arabische Emirate

Chabad-Rabbiner in Dubai vermisst

Berichten zufolge könnte der Rabbiner durch den Iran entführt oder ermordet worden sein

 24.11.2024

Kriminalität

»Schwachkopf«-Post zu Habeck: Jetzt melden sich die Ermittler zu Wort

Ein Mann soll Wirtschaftsminister Habeck im Netz beleidigt haben. Dass dann die Polizei zu Besuch kam, sorgte nicht nur im Umfeld des Vizekanzlers für Verwunderung. Die Ermittler liefern Erklärungen

von Frederick Mersi  22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024