Am zweiten Tag wurde es richtig politisch. Nach den überwiegend symbolträchtigen Programmpunkten vom Dienstag traf Bundespräsident Joachim Gauck am Mittwoch mit dem Regierungschef Israels, Benjamin Netanjahu, zusammen.
Die Unterredung in Jerusalem dauerte eine Stunde länger als geplant. Gauck betonte dabei die gemeinsamen Werte, denen sich beide Staaten verpflichtet fühlen, er und Netanjahu bekräftigten die stabile wie freundschaftliche Beziehung zwischen Deutschland und Israel.
Dennoch brachte der Gast auch Kritisches zur Siedlungspolitik der Israelis an, die viele als Hindernis für einen Frieden in Nahost bezeichnen: »Deutschland und Europa wären dankbar für jedes Zeichen in der Siedlungspolitik«, so der Bundespräsident nach Angaben seines Sprechers. Er sähe darin einen Schlüssel für die Ankurbelung der Friedensgespräche mit den Palästinensern.
Staatsräson Gleichzeitig unterstrich er: »Deutschland steht solidarisch auf der Seite Israels.« In Andeutung an den Wirbel, den sein gestriger Kommentar zur Äußerung der Bundeskanzlerin – »die Sicherheit Israels sei Staatsräson« – ausgelöst hatte, erklärte Gauck, dass es verschiedene Worte gebe, um dies auszudrücken. Das ändere nichts an der festen und geschlossenen Unterstützung für den jüdischen Staat. »Das wird immer so sein.«
Bei seinem Besuch im Weizmann-Institut in Rechowot merkte er an, dass die Politik zu wenig an Aufklärung und Vernunft glaube, oft sogar wie eine Schnecke sei, irgendwie versteinert. Die Wissenschaft indes zeige, dass Fortschritt möglich sei. »Aber«, so der Bundespräsident, »Wissen allein rettet die Welt nicht. Wissen ohne Verantwortung – das geht nicht«. Zwar werde es zwischen Deutschland und Israel nie so sein, dass die Vergangenheit keine Rolle spiele, »dennoch gibt es einen ganz normalen und fruchtbaren Austausch in der Wissenschaft«.
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Am Abend traf Gauck in Jerusalem mit Schoa-Überlebenden zusammen. Zum Abschluss seiner Reise am Donnerstag besucht er Ramallah, wo ein Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplant ist.
Viele Israelis werteten den Besuch des Bundespräsidenten im Heiligen Land als durchweg positiv. Gauck habe das nötige Feingefühl gezeigt, doch auch »wie ein guter Freund Kritik an der Politik geübt«. Avi Primor, einstiger israelischer Botschafter in Deutschland, meinte im Bayerischen Rundfunk, eine Freundschaft müsse auf Offenheit und Ehrlichkeit beruhen. »Und Bundespräsident Gauck hat den richtigen Ton gefunden.«