Angesichts einer wachsenden Zahl antisemitischer Straftaten und einer zunehmenden Leugnung und Verharmlosung des Holocaust hat die Claims Conference zu verstärkter Aufklärung über den Massenmord der Nazis aufgerufen. Das sei auch mit Blick auf die schwindende Zahl von Überlebenden der Nazi-Verbrechen notwendig, schrieb die Organisation aus Anlass des Holocaustgedenktages am Samstag.
An diesem Tag wird an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau vor 79 Jahren und die Millionen Opfer der Nazis erinnert. Nach einer von der Claims Conference am Dienstag veröffentlichten Studie gibt es weltweit derzeit noch etwa 245.000 Holocaust-Überlebende.
Gideon Taylor, Präsident der Claims Conference, schrieb: »Die von uns erhobenen Daten zeigen uns nicht nur, wie viele Überlebende es gibt und wo sie leben. Sie machen außerdem deutlich, dass die meisten Überlebenden einen Lebensabschnitt erreicht haben, in dem sie immer mehr Betreuungs- und Pflegeleistungen benötigen.«
Doppelt so viel Aufmerksamkeit
Diesen Menschen müsse nun doppelt so viel Aufmerksamkeit gegeben werden. »Denn jetzt brauchen sie uns am nötigsten«, betonte Taylor. Die nach dem Zweiten Weltkrieg 1951 gegründete Claims Conference mit Sitz in New York kümmert sich in Zusammenarbeit mit 300 Hilfsorganisationen in mehr als 90 Ländern um Ansprüche jüdischer Überlebender und um deren Wohl.
Die Zahl der wichtigen Zeitzeugen schwinde jedoch schnell. Nach der von der Claims Conference veröffentlichten Studie lebt fast die Hälfte aller Überlebenden der Schoa in Israel (49 Prozent). 16 Prozent leben in den USA und 17,5 Prozent in Westeuropa. In Europa leben die meisten Überlebenden in Frankreich (21.900), in Deutschland sind es 14.200 Überlebende.
95 Prozent der Überlebenden sind sogenannte Child Survivors. Sie waren am Ende des Zweiten Weltkriegs im Durchschnitt erst sieben Jahre alt. Das Durchschnittsalter der Überlebenden liegt bei 86 Jahren. Die älteste Überlebende ist 112 Jahre alt.
Neue Dimension
Nach den Worten des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hat Antisemitismus in Deutschland sowohl quantitativ wie qualitativ eine neue Dimension erreicht. So seien im gesamten Jahr 2022 in Deutschland mehr als 2600 antisemitische Straftaten registriert worden.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober seien bereits deutlich mehr als 1200 entsprechender Vergehen zu verzeichnen gewesen, sagte Haldenwang kürzlich dem ARD-Politikmagazin »Kontraste«. Es sei beschämend, wie offen in dem Land, von dem der Holocaust ausgegangen ist, inzwischen Antisemitismus gezeigt werde, so der Verfassungsschutz-Chef.