Die vielerorts als »Charmeoffensive« charakterisierten diplomatischen Aktivitäten des neuen iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani zeigen Wirkung. Nicht nur, dass er in der vergangenen Woche vor den UN sprechen durfte – und nur die israelische Delegation verließ so lange den Saal –, er schrieb auch in der »Washington Post« einen Gastkommentar, in dem er seine Bereitschaft zu neuen Gesprächen mit den USA über sein Atomprogramm signalisierte. Kurz nach der UN-Vollversammlung führte Rohani ein Telefonat mit Obama – das erste Gespräch, das ein amerikanischer Präsident mit einem Staatsoberhaupt der Islamischen Republik je geführt hat.
Vor allem ging es da um mögliche USA-Iran-Verhandlungen über Teherans Atomprogramm. Obama sprach zwar auch das Schicksal von zwei im Iran inhaftierten US-Bürgern an, aber darüber hinaus ging es kaum um Menschenrechte. In der folgenden Pressekonferenz wusste Obama nur mitzuteilen, dass der Iran nach eigener Aussage keinen Atomwaffenbesitz anstrebe.
uran Dabei können Veteranen der US-Außenpolitik wie etwa Robert McFarlane, der unter Ronald Reagan als Sicherheitsberater diente, ein Lied davon singen, wie Rohani die Amerikaner in den 80er-Jahren im Zuge der Iran-Contra-Affäre austrickste. Und in Europa haben einige politische Akteure noch nicht vergessen, wie Rohani von 2003 bis 2005 als Chefunterhändler das iranische Atomprogramm maßgeblich vorantrieb, indem er die Urananreicherung geheim fortsetzen ließ und gleichzeitig den europäischen Verhandlungspartnern Konzessionen vorgaukelte, die von iranischer Seite jedoch nie eingelöst wurden.
Trotz dieser Erfahrungen, die der Westen mit dem Politiker Hassan Rohani machen konnte, fallen die Reaktionen auf seine Auftritte als neuer Staatspräsident eher positiv aus. Guido Westerwelle (FDP), der noch amtierende Außenminister, sprach nach einem Treffen am Rande der UN-Vollversammlung von »einer ganz außerordentlich bedeutsamen Zäsur im Atomstreit«, die Rohani bewirkt habe. In seiner Rede vor der UNO sagte Westerwelle, auf Rohani gemünzt: »Den neuen Worten aus Teheran müssen aber auch konkrete Taten folgen. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Aber ein neuer Anfang ist gemacht.« Auch Omid Nouripour (Grüne) sprach davon, man müsse »Rohani beim Wort nehmen und das Gespräch suchen«.
Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, erklärte, an ein Ende der Sanktionen gegen den Iran sei derzeit nicht zu denken. Erst müsste Teheran seine »Urananreicherung vorübergehend aussetzen und unangekündigte Besuchte von Inspekteuren der Internationalen Atomenergiebehörde erlauben«. Der Iran, so Mißfelder, habe es »selbst in der Hand, seine Wirtschaft und damit die Lebensbedingungen aller Iranerinnen und Iraner durch die Aussetzung der Sanktionen deutlich zu verbessern«.
Die deutlichste Kritik am Auftritt des iranischen Präsidenten vor der Weltgemeinschaft wurde von Israels Premier Benjamin Netanjahu formuliert. »Rohanis Rede enthielt nicht einen einzigen echten Vorschlag, das Atomprogramm zu stoppen«, erklärte Netanjahu. Die Beweise der Internationalen Atomenergiebehörde für eine militärische Komponente des Programms habe Rohani schlicht ignoriert.
profil Israels Botschaft in den USA hatte kurz vor Rohanis UN-Rede sogar ein fiktives Profil beim sozialen Netwerk LinkedIn für Rohani angelegt. Sein von den israelischen Diplomaten formulierter Lebenslauf endet mit den Worten: »Wenn Sie nach einem überzeugenden Kommunikationsexperten und großartigen Verkäufer suchen, der fast alles glaubwürdig erscheinen lässt – ich bin Ihr Mann.« Entsprechend forderte Benjamin Netanjahu auch von Barack Obama, auf keinen Fall die Sanktionen gegen das Mullah-Regime zu lockern. Der antwortete, die USA schlössen keine Option aus. Bei seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung sagte Netanjahu: »Wenn Israel allein tätig werden muss, dann wird es das tun.«
In Teheran feiert man derweil Hassan Rohani. Bei seiner Rückkehr aus New York wurde er von etwa 100 Anhängern begrüßt, die »Danke, Rohani« riefen. Sogleich wies der Präsident die staatliche Luftfahrtbehörde an, alles für eine direkte Flugverbindung USA–Iran zu unternehmen.
An Kritiker Rohanis aus dem Hardliner-Lager hatte sich Parlamentspräsident Ali Larijani schon vor der UN-Versammlung gewandt: Was der neue Präsident dort verkünde, sei kein Strategiewechsel, sondern bloß eine neue Taktik.