Nach dem Vorbild der Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hat sich in Berlin ein Verein zur bundesweiten Koordinierung von Meldestellen judenfeindlicher Vorfälle gegründet. »Ziel des Bundesverbandes RIAS ist die Sicherstellung einer bundeseinheitlichen und zivilgesellschaftlichen Erfassung von antisemitischen Vorfällen«, sagte RIAS-Projektleiter Benjamin Steinitz der »Jüdischen Allgemeinen«.
Man wolle mit dem neuen Meldesystem auch Vorkommnisse erfassen, die keinen Straftatbestand erfüllen und auch solche, die ohne direkte Gewalt verbunden sind. »Die Polizeistatistiken weisen hier blinde Stellen auf«, so Steinitz.
Vorstand Neben dem RIAS-Projektleiter gehören auch der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, Daniel Botmann, sowie die stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin (VDK), Anne Benzing, dem für zwei Jahre gewählten Vereinsvorstand des neuen Bundesverbandes RIAS an. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, soll Schirmherr des Vereins werden.
Zur Gründung des bundesweiten Meldesystems am Mittwochabend sagte Felix Klein dieser Zeitung: »Mit dem nun neu eingeführten bundesweiten, niedrigschwelligen Meldesystem für antisemitische Vorfälle möchten wir die Dunkelziffer verkleinern, die es derzeit noch gibt. Unser Anliegen ist es, die Realität von Antisemitismus in Deutschland für die gesamte Gesellschaft sichtbar zu machen und dadurch eine wichtige und empirisch belegte Grundlage für seine Bekämpfung zu schaffen.«
Das Bundesfamilienministerium beteiligt sich mit Mitteln des Programms »Demokratie leben!« an der Finanzierung der Meldestelle. In Brandenburg und Bayern haben sich bereits regionale Dokumentationsstellen für antisemitische Vorfälle gegründet. In allen anderen Bundesländern liefen derzeit Gespräche mit Kooperationspartnern, so Steinitz.
Statistiken Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann sagte, dass die Einführung einer bundesweiten Meldestelle ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Antisemitismus sei. »Die offiziellen Statistiken spiegeln nicht die Wahrnehmungen innerhalb der jüdischen Community wider«, erklärte Botmann.
Für das Jahr 2017 zählte die Polizeiliche Kriminalstatistik (PSK) insgesamt 1453 antisemitische Straftaten. Die Täter wurden zu 90 Prozent dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. RIAS kritisiert, dass diese Zahlen nicht das Ausmaß antisemitischer Vorfälle in Deutschland widerspiegeln und die Tätergruppen ungenau erfasst werden.
Überprüfung Dies kritisierte unlängst auch Felix Klein im Interview mit dieser Zeitung. »Aus den jüdischen Gemeinden höre ich, dass die subjektive Wahrnehmung der Bedrohung durch muslimisch geprägten Antisemitismus größer ist, als es in der Kriminalstatistik zum Ausdruck kommt.« Deshalb müsse die Kriminalstatistik dringend überprüft, darüber hinaus aber auch ein niederschwelliges bundesweites Erfassungssystem antisemitischer Übergriffe eingeführt werden.
»Viele Juden zeigen antisemitische Straftaten nicht bei der Polizei an, weil sie resigniert haben«, erklärte Steinitz. Zudem sei die Zuordnung von Delikt und Täter häufig zweifelhaft. Damit in der PSK ein Vorfall als antisemitisch aufgeführt wird, müssen die zuständigen Polizeibeamten bei der Feststellung der Tat diese als antisemitisch definieren.
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