Bundestag

Resolution gegen Antisemitismus angenommen

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Nach monatelangen Verhandlungen und einer teils erbittert geführten öffentlichen Debatte kam sie am Donnerstagmorgen doch noch: Die Resolution »Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« ist im Deutschen Bundestag von einer Mehrheit der Abgeordneten angenommen worden.

Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP hatten den rechtlich nicht verbindlichen Antrag eingebracht. Deren Abgeordnete sowie die der AfD stimmten für die Resolution. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war dagegen und die Linkspartei enthielt sich. Änderungsanträge der Linken und des BSW wurden mehrheitlich abgelehnt.

Die Debatte im Deutschen Bundestag stand im Schatten der politischen Entwicklung des Vortages: Nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindern (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam die Ampel-Koalition zu einem vorzeitigen Aus. Seitdem herrscht Ausnahmesituation im politischen Betrieb Berlins. Die Ränge der Abgeordneten waren nur etwa zur Hälfte gefüllt und lediglich zwei Minister kamen in den Plenarsaal.   

Resolution im Vorfeld kontrovers diskutiert

Dabei war die Bundestagsresolution im Vorfeld Gegenstand harter Auseinandersetzungen. Die Kritik war massiv: In zahlreichen Wortmeldungen, insbesondere aus dem Kulturbereich, wurde vor allem das in der Resolution enthaltene Bekenntnis zur Antisemitismus-Definition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) sowie die Forderung nach strengeren Antisemitismus-Auflagen für staatliche Förderung problematisiert. Die Sorge der Kritiker: Die Resolution würde die Meinungs- und Kunstfreiheit einschränken.

Dagegen haben sich die meisten jüdischen Organisationen in Deutschland für die Resolution ausgesprochen. »Die Grundlagen für einen wirksamen Schutz jüdischen Lebens sind nun definiert«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nachdem sich Union und Ampel-Parteien vergangene Woche auf einen gemeinsamen Resolutionstext geeinigt hatten.

Er sagte nach der Verabschiedung der Resolution: »Die Antisemitismus-Resolution aus der Mitte des Parlaments ist in schwierigen politischen Zeiten ein Signal, dass Antisemitismus in Deutschland einfach nicht hingenommen werden darf. Dafür bin ich dankbar.«

Der Zentralratspräsident mahnte aber auch: »Aus dieser Entschließung muss nun konkretes staatliches Handeln erfolgen - andernfalls verhallt dieses Signal in der Weite des politischen Raums.«

In einem offenen Brief, der vom jüdischen Verein WerteInitiative angestoßen und von mehr als 20 Organisationen und jüdischen Gemeinden unterschrieben wurde, wird der interfraktionelle Antrag gegen Kritik in Schutz genommen und an die Parlamentarier sowie die Bundesregierung appelliert, »zügig die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um jüdisches Leben in der Mitte unserer freien demokratischen Gesellschaft zu schützen«.

Grünen-Abgeordnete: »Prävention kommt zu kurz«

Die unmittelbar vor der Abstimmung über die Resolution im Deutschen Bundestag geführte Debatte war stark geprägt von der außerparlamentarischen Auseinandersetzung der vergangenen Monate. Konstantin von Notz, der als Vizevorsitzender der Grünen-Fraktion der Chefverhandler seiner Partei über den Resolutionstext gewesen ist, versuchte der Kritik an der IHRA-Definition etwas entgegenzusetzen. »Diese Definition verunmöglicht nicht die Kritik an Israel«, sagte er. Jeden Tag werde in Deutschland das Handeln der israelischen Regierung kritisiert. Zudem, so von Notz, werde in der Resolution die Kunst- und Meinungsfreiheit betont.

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Die ebenfalls grüne Abgeordnete Marlene Schönberger kritisierte, dass in der öffentlichen Diskussion um die Resolution »mit unlauteren Mitteln gearbeitet« und Falschbehauptungen etwa über die IHRA-Definition verbreitet worden sei. Schönberger forderte mehr »Ernsthaftigkeit und Vernunft« bei dem Thema.

Ihre Parteikollegin Lamya Kaddor sprach sich zwar ebenfalls für die Zustimmung zur Resolution aus, fand aber deutliche Worte der Kritik. »Prävention kommt in diesem Antrag zu kurz«, sagte sie. Zudem sei die Realität der Migrationsgesellschaft und der Einbezug von Muslimen zu wenig berücksichtigt worden.

Insbesondere bei CDU/CSU und FDP hatte man die Schuld für die monatelange Verzögerung bei den Verhandlungen um einen gemeinsamen Resolutionstext bei den Grünen gesehen: Teile der Fraktion, vor allem aus der Außen- und Kulturpolitik, hätten eine Einigung hintertrieben.

SPD-Fraktionsvize: »Wichtiges Signal gegen Antisemitismus«

Konstantin Kuhle von der FDP ging auf die Kritik ein, die Verhandlungen über den Resolutionstext seien zu sehr im Geheimen gelaufen. »Selten wurde über eine Resolution so breit diskutiert«, sagte der Vizevorsitzende seiner Fraktion. Der Antrag solle die Debatte um Antisemitismus zudem nicht beenden, sondern »zum Nachdenken, Reflektieren, Diskutieren« anregen.

Die FDP-Politikerin Linda Teuteberg formulierte die Bedeutung des Antrags so: »Er beschreibt, welche gesellschaftliche Wirklichkeit wir anstreben.« Man müsse sich gegen jede Form des Antisemitismus einsetzen, appellierte Teuteberg. »Niemand hat das Recht auf ein bisschen Judenhass.«  

Dirk Wiese, Vizevorsitzender der SPD-Fraktion, beklagte, dass die Einigung so lange auf sich habe warten lassen. Doch es sei wichtig, »dieses wichtige Signal gegen Antisemitismus heute hier zusammen setzen«. Helge Lindh, SPD-Kulturpolitiker, hatte eine Empfehlung: »Weniger über Antisemitismus-Definitionen sprechen und mehr über die reale Lage«. Man dürfe nicht vom eigentlichen Thema, dem Schutz jüdischen Lebens, ablenken, so Lindh.

Heftige Kritik an SPD-Politikerin Aydan Özoguz

Eine andere SPD-Politikerin musste sich in der Debatte heftige Kritik anhören. »Selbst im Präsidium dieses Hauses sitz mit Frau Özoguz eine Frau, die sich Aussagen einer antisemitischen und israelfeindlichen Organisation zu eigen gemacht hat«, sagte Andrea Lindholz von der CSU, die die Verhandlungen für die Union geführt hatte. Es sei »unerhört«, dass Aydan Özoguz noch nicht von ihrem Amt als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages zurückgetreten sei. Die SPD-Politikerin hatte auf Instagram einen den Zionismus diskreditierenden Beitrag der »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden« geteilt. Der Organisation wird Terrorverharmlosung und Antisemitismus vorgeworfen.

Der CDU-Abgeordnete und ehemalige Bundeskanzlerkandidat Armin Laschet sprach vier Formen des Antisemitismus an – rechten, linken, muslimischen sowie akademischen – und ging mit den Rändern des Parlaments hart ins Gericht. »Hätten sie mal was gegen Rechtsradikale gesagt, dann wäre das glaubwürdiger gewesen«, sagte er Richtung AfD-Fraktion. Und insbesondere an die BSW-Gruppe gerichtet, bezeichnete es Laschet als falsch, »sich an der Ampel abzuarbeiten«. Hakan Demir von der SPD dankte Laschet später für seine »ausgewogenen Worte«.

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Die AfD hatte zuvor das Problem des Antisemitismus allein bei Muslimen und Linken verortet. »Die islamische Masseneinwanderung« sei das Hauptproblem für das jüdische Leben in Deutschland, behauptete Jürgen Braun und Beatrix von Storch fügte hinzu: »Die Linken hassen Israel.« Dass es mit der Israelsolidarität in der AfD auch nicht immer weit her ist und die relevanten jüdischen Organisationen die AfD als Gefahr für jüdisches Leben betrachten, ließen die beiden unerwähnt.

Gregor Gysi: »Kritik an israelischer Regierung muss erlaubt sein«

Sevim Dagdelen sprach für das BSW, das als einzige Partei an diesem Tag gegen die Resolution stimmte. Union und Ampel leisteten mit der Resolution »dem Kampf gegen den Antisemitismus einen Bärendienst«, behauptete Dagdelen. Kritik an der israelischen Regierung würde »unter den Verdacht des Antisemitismus gestellt« und die Resolution sein »ein Angriff auf Grundgesetz und Völkerrecht«.

Im August hatte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, der Gründerin und Namensgeberin des BSW, Sahra Wagenknecht, vorgeworfen, mit einer »populistischen Positionierung den Israelhass in Deutschland« zu befeuern.

Für die Linkspartei ergriff Gregor Gysi das Wort. Er sagte: »Die Kritik an der israelischen Regierung muss selbstverständlich erlaubt sein und bleiben, und hat mit Antisemitismus nichts zu tun, wenn sich nicht dahinter eine Ablehnung des Judentums verbirgt.« Anschließend warb er bei den anderen Abgeordneten dafür, den Änderungsantrag seiner Partei anzunehmen.

Dem kam keine Mehrheit der Anwesenden nach. Stattdessen wurde der gemeinsame Antrag von Ampel-Parteien und der Union unverändert angenommen. Zuvor schienen einzelne Gegenstimmen aus der Grünen- und der SPD-Fraktion noch wahrscheinlich. Diese bleiben jedoch aus. Doch die Debatte um die Bedeutung und die Auswirkungen der Antisemitismus-Resolution geht auch nach der Abstimmung im Bundestag weiter.  

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