Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht für eine zweite Amtszeit bereit. Das teilte das 65 Jahre alte Staatsoberhaupt am Freitag in Berlin mit. »Ich möchte mich für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zur Wahl stellen«, sagte Steinmeier.
Er wolle das Land auf dem Weg in die Zukunft begleiten, eine Zukunft nach der Pandemie. Er wolle, dass die Pandemie die Gesellschaft nicht gespalten zurücklasse und Brücken bauen. »Es sind bewegte Zeiten«, sagte Steinmeier. Seine Amtszeit läuft 2022 ab.
Auf Einladung von Israels Präsident Rivlin sprach Steinmeier als erster Bundespräsident in der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem.
Deutschland stehe an einem Wendepunkt, sagte der Bundespräsident. »Auf der einen Seite befreien wir uns jeden Tag ein Stück mehr aus den Fängen der Pandemie, auf der anderen Seite treten ihre Folgen für die Gesellschaft jetzt umso schärfer hervor.«
Die Pandemie habe tiefe Wunden geschlagen. »Sie hat Leid und Trauer gebracht, wirtschaftliche und seelische Not und viel, viel Frust und Bitterkeit. Wir haben uns wund gerieben im Streit um den richtigen Weg. Ich möchte helfen, diese Wunden zu heilen. Ich möchte, dass die Pandemie uns als Gesellschaft nicht gespalten zurücklässt, nicht misstrauisch oder ängstlich.«
Ein Bundespräsident gebe nicht die politische Richtung vor, sagte Steinmeier. »Aber der Bundespräsident kann Brücken bauen, Brücken zwischen den Gruppen in der Gesellschaft, Brücken zu unseren Nachbarn und Partnern in der Welt und Brücken in eine Zukunft, die uns noch große gemeinsame Leistungen abverlangen wird, vor allem im Kampf gegen den Klimawandel.«
Mit Israels Präsidenten Reuven Rivlin ist Steinmeier eng befreundet.
Steinmeier sagte weiter: »Ich weiß, dass ich nicht von vornherein auf eine Mehrheit in der Bundesversammlung bauen kann. Aber ich trete nicht aus Bequemlichkeit an, sondern aus Überzeugung.« Vor fünf Jahren habe es auch keine Gewissheiten gegeben.
Die Bundesversammlung hatte Steinmeier am 12. Februar 2017 mit einer Zustimmung von rund 75 Prozent zum 12. Bundespräsidenten gewählt. Gegenkandidaten von Linkspartei, AfD, Freien Wählern und Piraten hatten keine Chance. Vorgeschlagen und in der großen Koalition durchgesetzt hatte ihn der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel.
Steinmeier, der seinerzeit Außenminister war, trat die Nachfolge von Joachim Gauck an, der auf eine zweite Amtszeit verzichtete. Am 22. März 2017 leistete Steinmeier in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat seinen Amtseid ab.
»Wir dulden keinen Antisemitismus - ganz gleich von wem - in unserem Land.«
Bundespräsident Steinmeier
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erklärten: »Die Bereitschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, für eine zweite Amtsperiode zu kandidieren, erfüllt uns mit großer Freude. Gerade jetzt braucht unser Land einen Bundespräsidenten, der ein Gespür für die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger hat und Anstöße gibt, die Zukunft gemeinsam und zum Wohl aller zu gestalten.« Steinmeier habe in bislang vier Jahren als Bundespräsident bewiesen, dass er das höchste Amt im Staat mit großer moralischer Autorität ausfülle. »Eine zweite Amtszeit wäre eine große Chance.«
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hob hervor: »Frank-Walter Steinmeier ist ein großartiger und den Menschen zugewandter Bundespräsident. Mit einem klaren Kompass hat er vielen Menschen auch in schwierigen Zeiten Halt und Zuversicht gegeben.«
CSU-Chef Markus Söder erklärte: »Wir nehmen die Ankündigung des Bundespräsidenten mit Respekt zur Kenntnis. Die Zusammenarbeit mit dem Bundespräsidenten ist sehr gut und vertrauensvoll. Aber die Entscheidung und Festlegung steht erst nach der Bundestagswahl an. Das werden CDU und CSU gemeinsam beraten.«
»Ich sage mit Blick auf das, was sich da am Horizont auftut, mit ganz großer Ernsthaftigkeit: Wir müssen über Demokratie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten.«
Bundespräsident Steinmeier
Die Bundesvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, warnten davor, »dass das Amt des Bundespräsidenten in den Wahlkampf gezogen wird«. Steinmeier fülle »sein Amt mit Weitsicht und Menschlichkeit aus«, erklärten die Grünen-Chefs weiter. Wer aber in der nächsten Amtszeit dem Land als Staatsoberhaupt vorstehe, werde erst »nach der Bundestagswahl entschieden«, betonten Habeck und Baerbock.
Ein bestimmendes Thema von Steinmeiers Amtszeit wurde die Verteidigung und Stärkung der zunehmend unter Druck geratenen parlamentarischen Demokratie in Deutschland und vielen anderen Ländern. Es gebe in Deutschland zwar »keinen Grund für Alarmismus«, sagte Steinmeier in seiner Rede nach der Vereidigung. »Aber ich sage mit Blick auf das, was sich da am Horizont auftut, mit ganz großer Ernsthaftigkeit: Wir müssen über Demokratie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten.«
Auch bei seinen zahlreichen Auslandsreisen versuchte Steinmeier regelmäßig, demokratische Kräfte zu stärken. So besuchte er auf dem Rückweg von seiner letzten langen Reise im Februar vergangenen Jahres nach Kenia den Sudan, um dessen neuen Premierminister Abdullah Hamdok demonstrativ zu unterstützen.
Die zweite Hälfte der Amtszeit Steinmeiers war stark geprägt von der Corona-Pandemie. Mehrfach wandte er sich in Video-Botschaften - ein für das deutsche Staatsoberhaupt neues Format - an die Bevölkerung und bat um Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie. Im April richtete Steinmeier einen Gedenkakt für die Verstorbenen in der Corona-Pandemie aus. »Wir sehen die Wunden, die die Pandemie geschlagen hat. Wir gedenken der Verstorbenen. Und wir fühlen mit den Lebenden, die um sie trauern«, sagte er damals.
Steinmeier bekennt sich zur deutschen Verantwortung für den Holocaust und sagt, er wünschte, die Deutschen hätten für immer aus der Geschichte gelernt.
Ein besonderes Anliegen waren Steinmeier die Beziehungen zu Israel. Mit dessen Präsidenten Reuven Rivlin ist er eng befreundet. Im Januar vergangenen Jahres sprach Steinmeier auf dessen Einladung als erster Bundespräsident in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Steinmeier bekannte sich damals zur deutschen Verantwortung für den Holocaust und sagte, er wünschte, die Deutschen hätten für immer aus der Geschichte gelernt. Das gehe angesichts von Vorfällen wir dem Angriff auf die Synagoge von Halle aber nicht. Zeit, Worte und Täter seien heute nicht dieselben wie damals. »Aber es ist dasselbe Böse.«
Auch die jüngsten antijüdischen Ausschreitungen in Deutschland verurteilte Steinmeier in aller Schärfe. »Wir dulden keinen Antisemitismus - ganz gleich von wem - in unserem Land«, betonte er.