In der Antisemitismus-Diskussion um die documenta in Kassel hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth Konsequenzen für die Struktur der Kunstausstellung gefordert. Im Kern will der Bund mehr Einfluss auf die documenta. In dem fünf Punkte umfassenden Plan geht es um Aufarbeitung und Konsequenzen. Das Papier liegt der dpa in Berlin vor.
Die Grünen-Politikerin wird darin zitiert: »Von Beginn der Diskussion an habe ich immer sehr deutlich gemacht, dass es bei der documenta keinen Antisemitismus wie auch keinen Rassismus und keine Formen der Menschenfeindlichkeit geben darf.« Gleichzeitig betonte Roth, »die Kunstfreiheit ist ein hohes Gut unserer demokratischen Gesellschaft, das ich immer verteidigen werde«. Es gebe aber keine Kunstfreiheit ohne den Schutz der Menschenwürde. »Das ist die unverrückbare Grenze.«
Die Arbeit »People’s Justice« des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi hatte wegen antisemitischer Bildsprache für eine Welle der Empörung gesorgt. Die Verantwortlichen der documenta hatten zunächst entschieden, das Werk mit schwarzen Stoffbahnen zu verhängen. Schließlich wurde es ganz abgebaut.
Geschäftsführung und künstlerisches Kuratoren-Kollektiv hätten mehrfach versichert, es werde keinen Antisemitismus auf der documenta geben, kritisierte Roth. »Darauf habe ich vertraut. Dieses Vertrauen ist enttäuscht worden.« Die Entfernung des antisemitischen Bildes könne nur ein erster Schritt sein. Weitere Schritte müssten folgen. »Zudem sind jetzt strukturelle Reformen notwendig, um die documenta für die Zukunft neu aufzustellen.«
»Die documenta-Geschäftsführung wie das Kuratoren-Kollektiv müssen lückenlos aufklären, wie es dazu kommen konnte, dass ein eindeutig antisemitisches Bild überhaupt aufgehängt wurde«, heißt es. »Zudem müssen sie sicherstellen, dass keine weiteren antisemitischen Werke auf der documenta ausgestellt werden.« Dafür sollen nach dem Willen Roths wissenschaftliche Expertise hinzugezogen und vom Zentralrat der Juden vorgeschlagene Expertinnen und Experten »unbedingt« berücksichtigt werden.
rücktrittsforderungen »Die Verantwortlichkeiten zwischen vor allem der Geschäftsführung sowie den Kuratorinnen und Kuratoren sowie auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden und den Gremien müssen klar geklärt und es müssen daraus Konsequenzen gezogen werden«, heißt es. Konkrete Rücktrittsforderungen werden nicht gestellt.
Künftig sollen Verantwortlichkeiten »klar abgegrenzt und vereinbart werden«. Damit will Roth »die Freiheit der Kunst und des kuratorischen Handelns« sicherstellen und gleichzeitig Verantwortung eindeutig festschreiben.
Der Rückzug des Bundes aus dem Aufsichtsrat 2018 bei gleichzeitigem Festhalten an der Bundesförderung wird als »schwerer Fehler« bezeichnet. Das soll sich wieder ändern. »Eine finanzielle Förderung des Bundes soll deshalb zukünftig mit einer unmittelbaren Einbindung in die Strukturen der documenta zwingend verbunden werden.«
Der Rückzug des Bundes aus dem Aufsichtsrat 2018 bei gleichzeitigem Festhalten an der Bundesförderung wird als »schwerer Fehler« bezeichnet.
Eine grundlegende Strukturreform der documenta sieht Roth als Voraussetzung für künftige Bundesförderung. Sie werde den bisherigen Gesellschaftern von Land Hessen und Stadt Kassel vorschlagen, sich auf eine andere Struktur zu verständigen.
»Es hat sich gezeigt, dass die bislang vor allem lokale Verantwortlichkeit der documenta in einem Missverhältnis steht zu deren Bedeutung als eine der weltweit wichtigsten Kunstausstellungen«, heißt es im Plan von Roth. Künftig solle internationale Expertise und Pluralität der hiesigen Gesellschaft eingebunden werden. »Ziel muss sein, dass die nächste documenta wieder ein so inspirierender wie avantgardistischer Ort der zeitgenössischen Kunst in all ihren Dimensionen und Facetten sein kann.«