Während andere es bei Worten belassen, hat Anne Hidalgo gehandelt. Die sozialistische Bürgermeisterin von Paris schrieb am Donnerstag einen Brief an Mahmud Abbas und teilte dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) mit, dass ihm die 2015 verliehene Ehrenmedaille der Stadt wieder aberkannt werde.
In seiner Rede vor dem Revolutionsrat der Fatah-Partei Ende August habe Abbas »offensichtlich vorsätzlich den Nazi-Genozid an der jüdischen Bevölkerung geleugnet«, schrieb Hidalgo. Die Schoa sei aber Teil der Pariser Stadtgeschichte, so die Bürgermeisterin weiter, da Zehntausende Kinder, Frauen und Männer dort im Zweiten Weltkrieg zusammengetrieben und in die Todeslager deportiert worden seien.
Abbas’ Aussagen, mit denen er die Motive der Nazis für den Holocaust in Zweifel zog und Juden eine Mitschuld für den Antisemitismus der Nazis gab, verstießen gegen »universelle Werte«. Der Palästinenser-Chef sei daher nicht mehr würdig, die ihm vor acht Jahren von Hidalgo selbst verliehene Auszeichnung »Grand Vermeil de Paris« zu tragen, so die Bürgermeisterin.
Am Donnerstag ging auch die Europäische Union hart mit Mahmud Abbas ins Gericht. Seine Rede habe »falsche und grob irreführende Äußerungen über Juden und Antisemitismus« enthalten, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Dienstes der EU in Brüssel am Donnerstag.
»Solche Geschichtsverfälschungen sind aufrührerisch, zutiefst beleidigend, können die Spannungen in der Region nur verschärfen und dienen niemandes Interessen. Sie spielen jenen in die Hände, die keine Zweistaatenlösung wollen, für die sich Präsident Abbas wiederholt eingesetzt hat. Darüber hinaus trivialisieren sie den Holocaust, schüren den Antisemitismus und sind eine Beleidigung für die Millionen Opfer des Holocaust und ihre Familien.« Die Europäische Union werde sich weiterhin »jedwedem Versuch, den Holocaust zu billigen, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen, entschieden widersetzen«, sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano, in einem schriftlichen Statement.
NS-ZEIT Abbas hatte vor Parteifreunden ausgeführt, Hitler und die Nazis hätten Juden wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung als Geldleiher und Wucherer bekämpft und nicht, weil sie Antisemiten gewesen wären. Weiter behauptete der 88-Jährige, aschkenasische Juden seien gar keine Semiten und hätten daher auch kein Recht, im Nahen und Mittleren Osten zu siedeln.
Israels erster Ministerpräsident David Ben-Gurion (selbst ein aschkenasischer Jude) habe in arabischen Ländern Anschläge auf örtliche jüdische Einrichtungen ausüben lassen, um die dortigen Juden dazu zu bringen, nach Israel auszuwandern. So seien in Ben-Gurions Namen Kämpfer in den Irak geschickt worden, um dort »zu töten, zu zerstören und Sprengstoff in Synagogen und an allen möglichen Orten anzubringen, um die irakischen Juden zur Auswanderung zu zwingen.«
Es ist nicht das erste Mal, dass Abbas mit derartigen Aussagen Furore macht. Im vergangenen Jahr hatte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Olaf Scholz einen Vergleich zwischen der Schoa und dem Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern gezogen und von »50 Holocausts« gesprochen und große Empörung ausgelöst.
VERURTEILUNG Auch Deutschland hatte die Aussagen von Abbas scharf verurteilt. Deutschlands Botschafter in Israel, Steffen Seibert, erklärte auf X (ehemals Twitter): »Die jüngste Erklärung von Präsident Abbas über die Juden und den Holocaust ist eine Beleidigung für die Erinnerung an Millionen ermordeter Männer, Frauen und Kinder. Die Palästinenser verdienen es, von ihrem Führer die historische Wahrheit zu hören und nicht solche Verzerrungen.«
KONSEQUENZEN Die Vorsitzende des Jüdischen Forums in der CDU und schleswig-holsteinische Kultusministerin, Karin Prien, verurteilte Abbas ebenfalls scharf und forderte Konsequenzen. »Mahmud Abbas hat erneut seinen Antisemitismus offen zur Schau gestellt. Wieder und wieder müssen wir von ihm solche Worte hören und lesen. Er weiß, dass ihm keinerlei Konsequenzen von der Bundesregierung und der Europäischen Union drohen«, wurde Prien auf dem X-Kanal der CDU zitiert. »Die Bundesregierung sollte sich dringend fragen, ob sie Abbas und seine Fatah weiter so unterstützen will.«
In dasselbe Horn hatte zuvor auch Volker Beck gestoßen. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sagte: »Solches Zeug sagt und schreibt Abbas seit seiner Doktorarbeit in Moskau. Es zeigt den ganz normalen Antisemitismus der ›gemäßigten‹ palästinensischen Kräfte.« Beck forderte die Bundesregierung und insbesondere Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) auf, zu den Äußerungen von Abbas klar Stellung zu beziehen. Auch die SPD und die Jungsozialisten müssten sich zur Positionierung des Chefs der Fatah-Partei äußern, so Beck, da diese Mitglied in der sozialistischen Parteienfamilie sei.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin sagte der Jüdischen Allgemeinen auf Anfrage, was Abbas geäußert habe, sei «unsäglich und empörend». Weiter erklärte sie: »Die Haltung der Bundesregierung ist bekannt: Wir bekämpfen entschieden jede Form des Antisemitismus, wir verurteilen aufs Schärfste jede Relativierung des Holocaust. Dies ist die Grundlage unserer direkten Gespräche mit der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit der wir dies thematisiert haben und weiter thematisieren werden.«
Man bedauere es, dass die deutschen Beziehungen zur PA-Führung der »erneut von solchen Entgleisungen des Präsidenten belastet werden.« Gefragt nach möglichen Kürzungen deutscher Hilfsgelder an die Palästinenser, die auch Politiker im Bundestag angeregt haben, sagte die Außenamtssprecherin: »Die humanitäre Hilfe und andere deutsche Projekte in den palästinensischen Gebieten zielen darauf ab, die schwierigen Lebensbedingungen der palästinensischen Bevölkerung zu verbessern und zur Stabilisierung der Lage beizutragen. Direkte Budgethilfe an die Palästinensische Autonomiebehörde leistet die Bundesregierung nicht.«