Comedy

Bühne frei für den »Kaiser« der Antisemiten

In der Kritik: Nizar Akremi Foto: IMAGO/Funke Foto Services

Die Bezeichnung »Antisemit« trägt Nizar Akremi offenbar mit Stolz. Für den Stand-up-Comedian aus Bonn ist der Vorwurf, Hass auf Juden zu verbreiten, eine Auszeichnung. »Egal ob Kaya Yanar, der Internationale Gerichtshof, Kanye West, Amnesty International, Südafrika und alle anderen die als Antisemiten diffamiert werden«, schreibt Akremi im Januar auf X, »denkt immer daran - ICH WAR DER ERSTE. Verbeugt euch vor eurem Kaiser!« (Schreibfehler im Original)

Akremi, der unter seinem Vornamen Nizar auftritt, bezieht sich hier auf Kritik an seiner Bühnenshow »Shitstorm«, die im Sommer 2022 laut wurde. Auch diese Zeitung berichtete damals über seine Sketche, in denen er sich antisemitischer Klischees bediente, Witze über die Schoa, aber auch über Ausländer, Feministinnen sowie Homo- und Transsexuelle machte. In der Folge sagten mehrere Veranstalter bereits geplante Auftritte Akremis wieder ab.

Dieses Wochenende sorgte Akremi mit seinem Podcast »Die Deutschen«, den er zusammen mit dem YouTuber Shayan Garcia moderiert, erneut für einen Skandal. Zusammen mit ihrem Gast, dem umstrittenen Comedian Luke Mockridge, machten sie sich über die Paralympics und über behinderte Menschen lustig. Doch während für Mockridge diese Witze Konsequenzen hatten – eine mit ihm geplante Show beim Sender »Sat. 1« wurde abgesagt –, zog die mediale Empörung an Akremi weitgehend vorbei.

Für Akremi war der Gaza-Krieg ein Katalysator

Ab Donnerstag ist der Bonner Comedian mit seinem neuen Programm »On Fire!« wieder auf Deutschlandtour. Gegen Akremi werden jedoch nicht nur aufgrund seiner Show und seines Podcasts Vorwürfe des Antisemitismus und der Menschenverachtung erhoben. Seit Beginn des Gaza-Kriegs hat er sich zunehmend radikalisiert – und tätigt auch außerhalb seiner Bühnenshow problematische Äußerungen, die mit Comedy oder Satire nur noch wenig zu tun haben.

Für Akremis Weltsicht waren die Hamas-Massaker vom 7. Oktober und der darauffolgende Krieg in Gaza offenbar ein Katalysator. Seitdem äußert er sich insbesondere auf X regelmäßig zum Geschehen in Nahost. Bereits am 17. Oktober 2023, wenige Tage nach Beginn des Krieges in Gaza, veröffentlichte Akremi diesen Beitrag auf der Kurznachrichtenplattform: »Kann mir jemand den Unterschied erklären, zwischen 2 Leuten die einen Genozid verüben? Der Eine weiß wie schlimm es ist was er tut und macht es heimlich. Als die Leute rausfinden, war es schon zu spät. Der Andere macht es öffentlich und wird von der Welt noch bejubelt.«

Daran, dass es ihm um eine Gleichsetzung des Vorgehens der israelischen Armee in Gaza mit der Schoa geht, lässt Akremi in einem späteren Post keinen Zweifel mehr: »Es gibt keinen Unterschied zwischen Menschen die Zivilisten in eine Gaskammer stecken und Menschen die Zivilisten bombardieren«, schreibt er im Mai dieses Jahres, versehen mit dem Hashtag »#israhell«, eine übliche israelfeindliche Wendung zur Dämonisierung des jüdischen Staates.

Die vermeintliche Macht der Juden trifft in Akremis Vorstellung auch ihn selbst.

In diesem Zeitraum drehen sich viele Beiträge Akremis um eine vermeintliche Zensur, die es in Deutschland bezüglich der Berichterstattung über Gaza gäbe. Als im Juli der Internationale Gerichtshof in einem Gutachten die israelische Besatzung des Westjordanlandes als völkerrechtswidrig einstufte, schrieb Akremi auf X: »Komisch, dass wir in den deutschen Medien nichts davon hören. Frage mich nur warum«. De facto haben alle großen deutschen Medien über das Gutachten des Gerichtshofs berichtet.

In einem weiteren Beitrag jubelt Nizar wiederum darüber, dass seinem Eindruck nach »die öffentliche Wahrnehmung immer mehr kippt« und mittlerweile selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk über das Leid der Palästinenser berichte, sodass »die ganzen Speichellecker der Goldmünzensammler am DURCHDREHEN sind«. Akremi nutzt hier die stereotype Assoziation von Gold und Geld mit den Juden und dem vermeintlich damit einhergehenden länderübergreifenden Einfluss derselben auf die öffentliche Meinung.

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Es ist diese ominöse Macht der Juden, die in Akremis Vorstellung auch ihn selbst trifft. In einem X-Beitrag vom Februar beschreibt er ein »Meeting«, in dem ihm mitgeteilt worden sein soll, er dürfe »bestimmte Sachen« nicht mehr sagen. »Ich dachte immer es ist Fantasie Gelaber, aber es stimmt wirklich. Die ›Oben‹ kommen, wenn du es ›schaffst‹.« Auf eine Userin, die sich mit ihm solidarisiert und anmerkt, dass einem in Deutschland »ein Strich durch die Rechnung gemacht wird, sobald den Leuten da ›Oben‹ die Nase nicht passt«, antwortet Akremi: »›Nase‹ ist in diesem Fall ein gutes Stichwort.« Auffällig große und gebogene Nasen sind typisch für antisemitische Darstellungen von Juden.

Akremis Ausfälle richten sich auch gegen konkrete jüdische Personen. Im Januar veröffentlichte er einen Post mit einer frauenfeindlichen Gewaltfantasie: »Gal Gadot ist so eine Hackfresse. Wäre ich eine Frau, würde ich der einen Choke Slam verpassen, aber dass die mit dem Gesicht auf dem Boden aufkommt.« Die israelische Hollywood-Schauspielerin setzt sich in der Öffentlichkeit für eine Unterstützung Israels, die Freilassung der Hamas-Geiseln sowie für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts ein.

Experte: Akremi bedient antisemitische Ressentiments

Für Benjamin Steinitz ist der Fall eindeutig: »Über seinen X-Account verbreitet Nizar Inhalte, welche jahrhundertealte antisemitische Ressentiments bedienen«, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) auf Anfrage dieser Zeitung. Zudem würden durch seine Posts »nicht nur die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost, sondern auch Israel dämonisiert und die Erfahrung von Schoa-Überlebenden weltweit relativiert«.

Ähnlich äußerte sich der Antisemitismusbeauftragte von Hamburg: Akremi bediene »sämtliche Formen der Judenfeindschaft und nutzt auch den Krieg in Gaza für seine zutiefst antisemitischen Erzählungen«, sagt Stefan Hensel der Jüdischen Allgemeinen. Er fordert daher, dass Akremis Bühnenshow in der Hansestadt abgesagt wird. Dort soll er im Januar in der Friedrich-Ebert-Halle auftreten, die von dem stadteigenen Unternehmen »GMH Gebäudemanagement« verwaltet wird.

Die verantwortliche Finanzbehörde Hamburgs erklärte auf Anfrage, von den umstrittenen Aussagen Akremis bisher nicht gewusst zu haben. Man werde sich »zum weiteren Vorgehen eng mit dem Veranstalter und dem Beirat der Halle abstimmen«. Das bestätigte auch eine Pressesprecherin der Stadt Hamburg. Sie versicherte, dass man sich »den Sachverhalt noch einmal sehr genau ansehen« werde. Stand jetzt wird Akremis Show in Hamburg aber zu sehen sein.

Das Fuldaer Kulturzentrum Kreuz zog Konsequenzen und sagte den Auftritt Akremis ab.

Die Auftritte des umstrittenen Comedians werden also auch durch öffentliche Gelder ermöglicht. Neben der Hamburger Friedrich-Ebert-Halle gibt es mindestens ein halbes Dutzend weiterer Bühnen, die unmittelbar in städtischer Hand sind oder staatlich unterstützt werden, auf denen Akremi in den kommenden Monaten auftreten soll. Auf die Anfragen dieser Zeitung reagierten die Verantwortlichen sehr unterschiedlich – oder bis zum Ablaufen der Frist gar nicht, wie die Stadthalle Northeim und das Bürgerhaus Hannover.

In wenigen Tagen hätte Akremi im Kulturzentrum Kreuz in Fulda auftreten sollen. Der Veranstaltungsort wird von der Stadt Fulda und dem Land Hessen mitfinanziert. Timon Gremmels, hessischer Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, sagte der Jüdischen Allgemeinen, Akremis Aussagen seien »abstoßend und mit den Grundsätzen unserer demokratischen und weltoffenen Gesellschaft nicht vereinbar«. Die Stadt erklärte auf Anfrage, man sehe »einen Auftritt des Künstlers in Fulda aufgrund der bisher getroffenen antisemitischen Aussagen kritisch«. Das Kulturzentrum Kreuz zog mittlerweile Konsequenzen und sagte den Auftritt Akremis ab.

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Anders entschied sich das Stadthaus Ulm. Dort verwies man darauf, dass der Veranstalter des Abends einen Vertrag unterzeichnet habe, der »die Herabwürdigungen durch rassistische Diskriminierungen oder aus Gründen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität« untersage. Man gehe davon aus, dass der Vertrag auch eingehalten werde.

Akremi: Meine es »niemals ernst oder böse«

Das tut Akremi offenbar selbst auch. Seine neue Show »On Fire!« beziehe »klar Stellung gegen jede Art von Rassismus, Diskriminierung oder Herabwürdigung«, sagte er auf Anfrage dieser Zeitung. Seine Comedy überschreite »niemals die Grenzen des Respektes und der Menschenwürde«. Zwar würde er sich »manchmal bewusst provokativ« äußern, meine es aber »niemals ernst oder böse«. Auch als Privatperson sei er »kein Antisemit, Rassist, homophober Mensch oder Sexist«. Sein Publikum könne einen »Mix aus persönlichen Erlebnissen, Beobachtungen, fiktiven Ereignissen und Publikumseinbindung« erwarten. Witze über Israel oder Juden werde es bei »On Fire!« dagegen nicht geben.

Für Akremis Fans dürfte das eine Enttäuschung sein. Schließlich bewirbt er »On Fire!« auf Social Media unter anderem mit einem Sketch aus seinem vorherigen Programm, in dem er sich über die vermeintliche Gier und Klaulust von Juden witzig macht. Eine ganze Show von Nizar Akremi im Einklang mit der Menschenwürde? Sollte das stimmen, wäre es ein Etikettenschwindel.

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