Meinung

Brüssel: Was der Terror verändert hat

Nach den Terroranschlägen von Brüssel hat sich alles geändert. Und zugleich scheint sich nichts geändert zu haben. Was sich paradox anhört, beschreibt die Realität ziemlich genau. Alles hat sich geändert, weil die Anschläge im Flughafen und in einer Metro-Station der belgischen Hauptstadt Teil eines schon lange andauernden Prozesses sind und spätestens jetzt klar geworden ist, dass der islamistische Terror auch Europa ins Visier genommen hat. Nichts aber hat sich geändert, weil im Brüsseler Alltag keine markanten Veränderungen zu erkennen sind.

alarmstufe Das Leben in Brüssel geht so normal weiter, wie es vor den Anschlägen schon »normal« war: Vielleicht nicht explizit und bewusst, aber dennoch war das Leben in Belgien – nicht nur das der jüdischen Gemeinde – vom Terror geprägt. Im November 2015 brachte hier die Alarmstufe 4 das gesellschaftliche Leben zum Stillstand; im Mai 2014 hatte es einen mörderischen Anschlag auf das Jüdische Museum gegeben.

Oft waren »nach Brüssel«, wie man ja mittlerweile sagt, gerade in der jüdischen Gemeinschaft Stimmen zu hören, die nun mehr Empathie für Israel einfordern. Schließlich müsse Europa doch nun wissen, wie Israel unter der Bedrohung des Terrors lebt. Das ist nachvollziehbar und richtig, hat aber einen Haken: Allzu oft kommt das Beklagen von Empathielosigkeit gegenüber Israel selbst empathielos daher.

empathie Wichtig aber ist, dass wir, dass auch die Israelis sichtbar Anteil nehmen und Menschen in ihrer Trauer nicht mit Vorwürfen begegnen. Jetzt ist nicht der Moment dafür. Das betrifft auch die zahlreichen »Ja, aber«-Sager, die den Finger heben, ehe die ersten Worte der Trauer gesprochen wurden. Zu den Erfahrungen, welche die jüdische Gemeinde in Belgien »nach Brüssel« gemacht hat, gehört jedenfalls, dass das Mitgefühl für unsere Ängste und Sicherheitsbedenken gewachsen ist.

Islamistischer Terror bleibt auch Europa nicht erspart. Entsprechend haben die vielen Hinweise auf Israel und die Erfahrungen, die der jüdische Staat mit Terror macht, mittlerweile einen anderen Sound. »Was Europa von Israel lernen kann«, wird gar nicht mehr so sehr auf Polizeitechnik und Sicherheitsmaßnahmen bezogen. Vielmehr wird es – endlich! – als eine gesellschaftliche Aufgabe verstanden: nicht mit der Angst zu leben! Unseren Alltag nicht von der Sehnsucht der Terroristen bestimmen zu lassen! Angst darf nicht die Determinante unserer Existenz werden, und belgische Schokolade wird auch »nach Brüssel« nicht aufhören zu schmecken.

Der Autor ist Präsident der European Union of Jewish Students in Brüssel.

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Ahmad Mansour gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025