Es ist so weit. Der Brexit kommt. Tatsächlich. Wirklich. Echt. Praktisch ohne Vorwarnung. Einfach so. Das tut mir unendlich leid. Ich habe sieben Jahre lang in England studiert, in Oxbridge, also den Universitäten Oxford und Cambridge, am Ursprung der Macht und der englischen Elite. In Oxbridge habe ich vieles gelernt. Ich habe gelernt, wie man einen Essay schreibt. Ich habe gelernt, wie man korrekt eine Tasse Tee trinkt. Ich habe gelernt, wie man eine Unterhaltung mit der Queen führt. Vor allem aber habe ich gelernt, wie man flucht.
Denn anders als in Deutschland gehört in England Fluchen zum guten Ton. »Bugger, bollocks« und so weiter – so spricht die englische Upperclass. Wer nicht flucht, so die Upperclass, hält sich aus Bürgerlichkeitsambitionen an arbiträre sprachliche Regeln. Wer wirklich Klasse hat, muss keine Regeln befolgen, um diese Klasse zu wahren.
elite Keine Regeln befolgen, diese Fähigkeit hat die englische Elite in den letzten Jahren zur Genüge unter Beweis gestellt, allen voran der in Eton und Oxford geschulte Boris Johnson. Um das Brexit-Referendum 2016 zu gewinnen, hat die Leave-Kampagne nachweislich und wissentlich das Volk in großem Stil belogen.
Als das Parlament im Oktober 2019 seinem Brexit-Deal nicht zustimmen wollte, versuchte Johnson kurzerhand, es widerrechtlich zu schließen. Während des Wahlkampfs im Dezember 2019 benannte die Regierung ihren Twitter-Account in »factcheckUK«, behauptete also, die Tory-Regierung wäre ein unabhängiger Faktenprüfer.
All das widerspricht den Regeln der Demokratie. Vor einigen Jahren wäre solches Verhalten undenkbar gewesen. Jetzt hat es der Elite um Boris Johnson erst ein Referendum und dann einen Wahlsieg eingebracht, und am 31. Januar führt es England endgültig aus der EU. Dazu lässt sich eigentlich nur noch eines sagen – ich zitiere: »Bugger, bollocks« und so weiter.
Nele Pollatschek hat soeben ihr Buch »Dear Oxbridge« veröffentlicht.