Jüdischer Friedhof Köln

Brandstifter von Gericht für schuldunfähig erklärt

Das Gericht ist überzeugt: Der Angeklagte habe im Mai 2022 einen Brandsatz auf das Friedhofsgebäude in Köln-Bocklemünd geworfen. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Im Prozess um einen Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd im Mai 2022 ist ein Urteil ergangen. Das Landgericht Köln sieht es zwar als erwiesen an, dass der 46-jährige Verdächtige die Tat begangen hat, erachtet ihn wegen einer psychischen Erkrankung aber als nicht schuldfähig.

Vergangenen Freitag ordnete das Gericht daher die Zwangseinweisung des Täters in eine psychiatrische Klinik an. Das Urteil ist zur Bewährung ausgesprochen, solange sich der Verurteilte an strenge Auflagen hält.

Antisemitismus Der zuständige Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn findet das Urteil richtig, betont im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen jedoch, dass sich die Tat eindeutig durch einen »antisemitischen Hintergrund« auszeichne. Willuhn ist überzeugt, dass der Täter seine Ziele nicht zufällig ausgewählt hat.

»Es gibt Leute, die meinen, den Vorfall aufgrund der psychischen Erkrankung des Täters weniger ernst nehmen zu müssen.« Er halte dies jedoch für den falschen Schluss. Der Fall zeige, »dass in der Gesellschaft ein Grundbestand an antisemitischen Ressentiments und Verschwörungstheorien existiert, auf die sich psychisch erkrankte Täter beziehen können, um ihre Taten zu rationalisieren«, so Willuhn. Das Urteil des Landgerichts Köln sei daher »kein Grund zur Entwarnung«.

Ein Zeuge gab zu Protokoll, dass der Täter antisemitische Parolen von sich gegeben habe.

Am Abend des 11. Mai 2022 hatte der Täter, bei dem es sich um einen zum Tatzeitpunkt wohnungslosen Mann aus dem Kreis Neuss handelt, einen selbstgebauten Brandsatz auf das Friedhofsgebäude der Synagogen-Gemeinde Köln geworfen. Ein Anwohner konnte den Brand schnell löschen und gab später gegenüber der Polizei zu Protokoll, der Täter habe antisemitische Parolen von sich gegeben. So soll er in wirren Sätzen eine Verbindung zwischen den US-Präsidenten George Bush und Joe Biden mit dem Judentum hergestellt haben.

Der Brandstifter konnte erst gefasst werden, nachdem er vier Wochen später erneut das Friedhofsgebäude aufsuchte und mit Steinen bewarf. Der Anwohner war abermals zur Stelle und hielt den Angreifer fest, bis die Polizei eintraf.

Prozess An mehreren Terminen wurde in den Monaten danach die Schuld des Verdächtigen vor dem Landgericht Köln verhandelt. Sachverständige stellten dabei fest, dass der 46-Jährige an einer paranoiden Schizophrenie leidet. Das Gericht erklärte den Angeklagten aufgrund dieser Diagnose für nicht schuldfähig, auch wenn es die Straftatbestände der versuchten schweren Brandstiftung, der Sachbeschädigung und den Verstoß gegen das Waffengesetz als erfüllt ansah.

Aktuell gehe von dem Täter keine Gefahr aus, weil er sich medikamentös behandeln lasse.

Solange sich der Verurteilte an gewisse Auflagen halte, werde die vom Gericht angeordnete Zwangseinweisung nicht vollstreckt, bestätigte Oberstaatsanwalt Willuhn. Aktuell gehe von dem Täter keine Gefahr aus, weil er sich medikamentös behandeln lasse und sich in engmaschiger ärztlicher Betreuung befinde. Der Täter sei in einer spezialisierten überwachten Wohngruppe untergekommen, so Willhuhn.

Meldestelle »Da der Täter offensichtlich an einer psychischen Erkrankung leidet, halte ich das Urteil grundsätzlich für richtig«, kommentierte Daniel Vymyslicky von der Kölner Meldestelle für antisemitische Vorfälle auf Anfrage dieser Zeitung das Urteil. »Um weitere antisemitische Taten des Verurteilten möglichst auszuschließen, ist es jedoch essenziell, dass die vom Gericht angeordneten Auflagen konsequent umgesetzt werden.«

Vymyslicky hatte als Beobachter den Prozess von Anfang an begleitet und dabei ausführlich Protokoll geführt. Ihm sei dabei positiv aufgefallen, dass »mehrfach darauf hingewiesen wurde, wie sich der Brandanschlag auf das Sicherheitsgefühl der jüdischen Gemeinschaft in Köln ausgewirkt hat«. Die Betroffenen-Perspektive werde bei solchen Prozessen ansonsten häufig vernachlässigt.

Überrascht sei er jedoch von dem geringen medialen Interesse an dem Fall. »Während bei den ersten Verhandlungstagen immerhin noch ein oder zwei Vertreter der Kölner Lokalpresse vor Ort waren, saß ich bei der Urteilsverkündung ganz alleine im Publikum«, berichtet er. Er habe das Gefühl, »dass das Interesse an antisemitischen Taten häufig sinkt, sobald der Täter als ›psychisch krank‹ deklariert wird.«

Washington D.C.

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