Trotz der Forderung nach einer »Brandmauer« gibt es einer Studie zufolge auf kommunaler Ebene Dutzende Beispiele der Zusammenarbeit etablierter Parteien mit der AfD. Eine am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung nennt mehr als 100 konkrete Fälle in den Jahren 2019 bis 2023 - von der gemeinsamen Abstimmung im Stadtrat bis zur Fraktionsgemeinschaft.
Am häufigsten habe die CDU mit der AfD kooperiert, doch auch alle übrigen im Bundestag vertretenen Parteien hätten dies getan, berichteten Autor Steven Hummel und Autorin Anika Taschke.
Im vergangenen Jahr hatte CDU-Chef Friedrich Merz nach einer Debatte über die »Brandmauer« zur AfD in der Kommunalpolitik klargestellt: »Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.« Auch SPD, FDP, Grüne und Linke pochen auf Abgrenzung.
Gemeinsames Abstimmen
Dennoch fanden Hummel und Taschke bei der Recherche in Sitzungs- und Abstimmungsprotokollen allein in den ostdeutschen Bundesländern 105 Beispiele, wo Lokalpolitiker und Lokalpolitikerinnen dieser Parteien mit der AfD stimmten oder sich mit der Rechtsaußenpartei zusammentaten.
16 weitere Beispiele betrafen der Studie zufolge Nachfolgeparteien oder Abspaltungen der AfD. In 52 Fällen war es die CDU, die kooperierte, in 22 Fällen die FDP, 13 Mal die SPD, 10 Mal die Linke und fünfmal Bündnis 90/Die Grünen. Hinzu kamen sonstige Parteien und unklare Angaben.
In 93 Fällen bedeutete »Kooperation« laut Studie gemeinsames Abstimmen, in 74 Fällen auf Initiative der AfD. Als konkretes Beispiel nannte Hummel eine AfD-Resolution gegen Windkraftanlagen im Sonneberger Land in Thüringen, der im Kreistag 2020 auch CDU und FDP zugestimmt hätten.
Mehr Fälle vermutet
Eine AfD-Resolution gegen zu hohe Energiepreise wurde dort im November 2022 von allen Parteien gebilligt, wie Hummel weiter berichtete. Taschke nannte ein Beispiel aus Cottbus: Ein Beschluss zur kommunalen Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Jahr 2021 sei dort 2023 mit Stimmen von CDU, AfD und SPD rückgängig gemacht worden.
Taschke sagte, Abgrenzung falle auf kommunaler Ebene oft schwer, zum Beispiel, wenn man sich seit Jahren kenne. Oft werde argumentiert, auf kommunaler Ebene gehe es nur um praktische Lösungen und nicht um Parteipolitik. Doch diene die kommunale Ebene der AfD als Experimentierfeld und trage dazu bei, dass sich ihre Ziele normalisierten, ergänzte Hummel.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung steht der Partei Die Linke nahe. Taschke und Hummel konzentrierten sich nach eigenen Angaben aus praktischen Gründen auf ostdeutsche Beispiele der Parteienkooperation, weil sonst der Umfang der Studie zu groß geworden wäre. Die Auflistung erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr werde eine große Zahl weiterer Fälle vermutet, die nicht bekannt geworden seien. dpa