Das Wohnhaus eines jüdischen Ehepaares in Hemmingen bei Hannover ist Ziel eines mutmaßlich antisemitischen Angriffs geworden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hannover wurde eine Fußmatte vor der Haustür angezündet. Zudem sei im Eingangsbereich mit roter Farbe das Wort »Jude« aufgesprüht worden, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge am Montag.
Die »Hannoversche Allgemeine Zeitung« (»HAZ«) hatte zuvor über den Angriff in der Nacht zum Samstag berichtet. »Wir nehmen den Fall sehr ernst«, sagte Klinge. Die Polizei habe noch am Wochenende in der Nachbarschaft nach Zeugen gesucht. Der Staatsschutz ermittelt.
Die Fußmatte der Eheleute wurde angezündet. Auf der Tür prangt in roter Farbe das Wort »Jude«.
GEMEINDE Wie die »HAZ« berichtete, lebten die Eheleute zurückgezogen und hatten in der jüdischen Gemeinde kein Amt inne. Rebecca Seidler von der liberalen jüdischen Gemeinde Hannover will der Zeitung zufolge den Zentralrat der Juden in Deutschland und den Beauftragten der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus über den Angriff informieren.
Der polizeiliche Staatsschutz befragte bereits am Samstag rund 60 Anwohner und verteilte Handzettel. »Augenscheinlich aus antisemitischen Gründen wurde versucht, das Wohngebäude eines Nachbarn in Brand zu setzen«, hieß es darin.
Vertreter aus Politik und Religion reagierten entsetzt auf die Tat. »Mit dem Anschlag auf das Wohnhaus des jüdischen Ehepaars in Hemmingen ist im negativen Sinne eine neue Qualität erreicht«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. »Wenn sich Juden in ihren Wohnhäusern nicht mehr sicher fühlen können, ist das in besonderem Maße erschreckend. Feuer und die Wandschmiererei rufen schreckliche Erinnerungen wach.«
EINHALT Der antisemitische Vorfall mache deutlich, wohin das derzeitige politische Klima führt, betonte Schuster. »Wir müssen der Aggressivität Einhalt gebieten. Wenn Artikel eins des Grundgesetzes im Alltag in Frage steht, dann wirft das einen dunklen Schatten auf den Geburtstag unserer Verfassung in diesen Tagen.«
Der evangelische Landesbischof Ralf Meister sagte am Montag in Hannover: »Ich bin erschüttert über den Hass, der in diesem Brandanschlag offen zu Tage tritt. Wir sind mit dem jüdischen Volk verbunden und verurteilen jede Form von Judenfeindlichkeit.«
»Wir nehmen den Fall sehr ernst«, betont der Oberstaatsanwalt.
Auch Vertreter von SPD und CDU äußerten sich bestürzt. Demokraten müssten immer wieder deutlich machen, dass Antisemitismus zu keinem Zeitpunkt toleriert werde, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Deniz Kurku. Der niedersächsische CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer sprach von einem »feigen Anschlag auf uns alle und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung«.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler forderte die niedersächsische Landesregierung auf, einen Antisemitismus-Beauftragten einzusetzen und eine Meldestelle für judenfeindliche Vorfälle einzurichten.
Im vergangenen Jahr war in Niedersachsen die Zahl der antisemitischen Straftaten laut Innenministerium von 128 auf 99 gesunken. Bundesweit hatte ihre Zahl dagegen im Vergleich zum Vorjahr um 9,4 Prozent zugenommen. 2018 wurden 1644 antisemitische Straftaten erfasst. dpa/epd/ja