Ungewohnt viele Länder wollen eine seit Jahren umstrittene Veranstaltung der Vereinten Nationen boykottieren. Die vierte Ausgabe der Weltkonferenz gegen Rassismus soll dennoch am Mittwoch in New York eröffnet werden.
Bereits im Juli hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass Deutschland der erstmals 2001 im südafrikanischen Durban abgehaltenen Veranstaltung wie schon 2011 fernbleiben werde. Insgesamt haben mittlerweile westliche 31 Staaten ihren Boykott angekündigt (2011 waren es nur 14). Weitere Länder wie Belgien wollen keine Vertreter auf Ministerebene entsenden.
auswüchse Grund der Ablehnung waren Auswüchse bei der ersten Durban-Konferenz, die nur wenige Tage vor den Terroranschlägen am 11. September 2001 stattfand. Weil zahlreiche Nichtregierungsorganisationen forderten, dass der Zionismus als eine Form des Rassismus verurteilt werden müsse, verließen damals die USA und Israel aus Protest die Konferenz.
Zur Vorbereitung der Abschlusserklärung hatten sich die asiatischen Staaten bereits im Februar 2001 in Teheran getroffen und sich auf einen Entwurf verständigt, in dem es hieß, Israel praktiziere »eine neue Art von Apartheid«, »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« und »eine Form von Völkermord«.
ANTISEMITISMUS Erst in letzter Minute gelang es, die Formulierung aus der Durban-Erklärung zu streichen. Vertreter der europäischen Staaten hatten gedroht, den USA und Israel zu folgen und sich von der Konferenz zurückzuziehen. Nichtsdestotrotz wurde in der Abschlusserklärung Israel namentlich genannt und eine angebliche »Notlage der Palästinenser unter ausländischer Besatzung« hervorgehoben. Außerdem forderte das Dokument – ungewöhnlich für eine Erklärung zum Thema Rassismus - die Errichtung eines palästinensischen Staates.
Bei einem parallel zur Konferenz der UN-Mitgliedsstaaten stattfindenden »NGO-Forum« wurde Israel als »rassistischer Apartheidstaat« bezeichnet, der sich des »Völkermordes« schuldig gemacht habe. Bei einem Protestmarsch von Teilnehmern des Forums durch die Innenstadt Durbans war auf einem Plakat zu lesen: »Hitler hätte den Job zu Ende bringen sollen«. Einige Demonstranten liefen mit Hakennasen durch die Stadt, andere verkauften das antisemitische Traktat »Die Protokolle der Weisen von Zion«.
In einem am Mittwoch veröffentlichten Kommentar nannte der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Moshe Kantor, die Vorgänge in Durban »ein Festival von gezieltem Rassismus« gegen Juden.
Trotz der Negativschlagzeilen aus Südafrika ließen die Vereinten Nationen es sich nicht nehmen, gleich mehrmals mit Veranstaltungen an die Durban-Konferenz zu erinnern. Im April 2009 nutzte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad die sogenannte »Durban Review Conference« (auch Durban II genannt) als Bühne, um gegen Israel zu hetzen.
Ahmadinedschad war der einzige Staatschef, der nach Genf gekommen war, um zu reden. Noch während seiner Ansprache verließen zahlreiche europäische Delegationen aus Protest den Tagungssaal. Einige kamen anschließend wieder zurück, Deutschland und andere blieben aber dem weiteren Verlauf der Konferenz fern.
REDNER Als nur zwei Jahre später die dritte Durban-Konferenz stattfand. blieben 14 westliche Staaten dem Event fern. Auch Deutschland gehörte dazu. Eine Dekade später sind es nun schon mehr als doppelt so viele. Laut dem israelischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, wollen mindestens 31 Regierungen – 20 davon aus Europa – auf ihre Teilnahme am Mittwoch verzichten. Darunter sind neben Deutschland auch Australien, Frankreich, Großbritannien, Kanada, die Niederlande, Österreich, Rumänien, Tschechien, Ungarn und die USA.
Selbst jene Staaten, die trotzdem mit Delegationen vertreten sein werden, wirken nicht gerade motiviert, sich einzubringen. Laut »Jerusalem Post« informierte Andorras UN-Vertreter Joan Josep Lopez vergangene Woche den scheidenden türkischen Präsidenten der UN-Vollversammlung, Volkan Bozkir, darüber, dass bislang kein einziger Staats- oder Regierungschef aus der WEOG-Gruppe westlicher Staaten den Wunsch geäußert habe, bei der Antirassismuskonferenz das Wort zu ergreifen oder eines der beiden Diskussionspanel zu leiten.
ERKLÄRUNG Der Entwurf der Abschlusserklärung für das Treffen am Mittwoch erwähnt zwar auch den Antisemitismus – allerdings nicht in Zusammenhang mit der Zunahme judenfeindlicher Taten und Äußerungen im Zuge der Covid-19-Pandemie. Stattdessen ist in dem Dokument nur die Rede von einem Anstieg »rassistisch motivierter Gewalt, Gewaltandrohung, Diskriminierung und Stigmatisierung« gegen Asiaten.
Zwar wird die Zunahme von Diskriminierung und Hassrede mit großer Sorge zur Kenntnis genommen wird und Antisemitismus als Beispiel für »Vorurteile gegenüber Personen aufgrund ihrer Religion oder ihres Glaubens« genannt. Gleichzeitig bekräftigt das Abschlussdokument aber die Durban-Erklärung von 2001 – und damit auch die stigmatisierende Heraushebung Israels.