Es war ein Eklat, der dem bislang guten Ruf der Lufthansa in der jüdischen Welt wohl noch lange Zeit abträglich sein wird. Am 4. Mai dieses Jahres wurden 128 charedische Juden aus New York und Umgebung am Frankfurter Flughafen vom Weiterflug nach Budapest ausgeschlossen.
Als Grund wurde den überraschten Passagieren vom Lufthansa-Personal das Verhalten einiger Charedim an Bord des vorangegangenen Fluges von New York nach Frankfurt genannt. Zahlreiche Personen hatten sich geweigert, die Anweisungen des Kabinenpersonals zu befolgen.
PILGER Nach der Landung in Frankfurt sahen sich dann aber alle Passagiere, die durch Schläfenlocken oder durch ihre Kleidung als Juden erkennbar waren, mit einem Problem konfrontiert: Es hieß »Boarding denied«. Der gebuchte Weiterflug wurde ihnen zunächst untersagt; der Flieger nach Budapest hob mit nur wenigen Passagieren ab.
Die Pilgerreise in ein ungarisches Dorf, in dem Rabbiner Jeschaja Steiner begraben liegt, war für viele geplatzt. Berichten zufolge waren die jüdischen Pilger nicht alle auf einer einzigen Gruppenreise gebucht, was ein kollektives Weiterbeförderungsverbot juristisch gerechtfertigt hätte. Mehrere von ihnen hatten Einzeltickets gebucht, wurden aber dennoch nicht nach Budapest mitgenommen.
Stattdessen nahmen 20 Beamte der hessischen sowie der Bundespolizei sie am Flugsteig in Empfang. Die Polizisten hatten das Flugverbot im Auftrag der Lufthansa durchzusetzen und keinen Ermessensspielraum. Es kam zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen, wie im Internet veröffentlichte Videos belegen. Auf einem ist eine Mitarbeiterin der Fluggesellschaft zu sehen, die in gebrochenem Englisch den kollektiven Ausschluss mit den Worten rechtfertigt, es seien schließlich »Jewish people« gewesen, die die Probleme an Bord der Maschine nach Frankfurt verursacht hätten.
Künftig wolle man Mitarbeiter gezielt durch Schulungen »kulturell« sensibilisieren.
Eine Woche und viele Negativschlagzeilen später entschuldigte sich die Lufthansa-Führung, unter anderem bei Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden. Den betroffenen Passagieren wurde zudem die Übernahme der zusätzlich entstandenen Kosten zugesagt. Nähere Angaben zu dem Vorfall selbst und wie es zu dem Flugverbot gekommen war, machte der Konzern zunächst aber nicht.
Stattdessen wurde eine interne Prüfung eingeleitet, bei der beratend auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und eine Anwaltskanzlei mitwirkten. Der Prüfbericht liege nun vor, man könne ihn aus rechtlichen Gründen aber nicht veröffentlichen, sagte Lufthansa-Sprecher Martin Leutke.
Verhalten Die Nichtbeförderung der Fluggäste sei »Resultat einer bedauerlichen Kette von ungenauer Kommunikation, Fehlinterpretationen und unbeabsichtigten Fehleinschätzungen zwischen verschiedenen Abteilungen« gewesen. Hinzugekommen seien »unsensible und unprofessionelle Äußerungen einzelner Mitarbeitender«, teilte er dieser Zeitung mit.
Die Untersuchung habe aber »keine Anzeichen von Antisemitismus, Vorurteilen oder vorsätzlichem Verhalten von Lufthansa-Vertretern« ergeben, betonte Leutke. Vielmehr sei dem Ausspruch der Nichtbeförderung »ein Verhalten mehrerer jüdisch-orthodoxer Passagiere« an Bord des Fluges von New York nach Frankfurt vorausgegangen, welches »nicht den amerikanischen und deutschen Vorschriften« entsprochen habe.
Der Konzernsprecher verwies unter anderem auf die Missachtung der Maskenpflicht und des Verbots, sich in den Gängen sowie vor den Bordküchen und Notausgängen zu versammeln. Zahlreiche Passagiere hatten sich offenbar während des Nachtfluges dort zum Gebet und zu anderen Aktivitäten eingefunden. Recherchen dieser Zeitung im Mai bestätigten dies. Eine Mitreisende aus Deutschland sagte damals, es habe wiederholte und nachdrückliche Aufforderungen des Kabinenpersonals gegeben, sich an die Vorschriften zu halten. Die Personen, die in ihrem Umkreis gesessen hätten, so die Frau, seien fast ausnahmslos orthodoxe Juden gewesen und hätten entweder keine Maske oder diese nur unterhalb der Nase getragen.
Diskriminierung »Ich habe mich nicht sehr wohlgefühlt an Bord«, berichtete die schwangere Frau. Andere Passagiere sagten dagegen aus, nur einzelne Personen hätten sich den Anweisungen des Bordpersonals, nicht in den Gängen zu stehen, widersetzt. Daher sei der pauschale Ausschluss vom Weiterflug für 128 Personen, die als Juden erkennbar gewesen seien, eine eindeutig diskriminierende Maßnahme gewesen.
Auch bei der hausinternen Kommunikation sieht das Unternehmen nach der Affäre Verbesserungsbedarf.
Mit einigem zeitlichem Abstand kündigte die Lufthansa jetzt immerhin konkrete Konsequenzen an. Auf der Leitungsebene soll schon bald eine Person für den Kampf zur »Verhinderung von Diskriminierung und Antisemitismus« installiert werden. Außerdem wolle man künftig gezielt durch Schulungen Mitarbeiter »kulturell« sensibilisieren.
Auch bei der hausinternen Kommunikation sieht das Unternehmen nach der Affäre Verbesserungsbedarf. Künftig soll es klare Zuständigkeiten für knifflige Entscheidungen wie ein Beförderungsverbot geben. Ferner soll die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) als Standard für den gesamten Konzern eingeführt werden. Die entstandenen »Unannehmlichkeiten« für die Betroffenen bedauere man »zutiefst«, erklärte Martin Leutke. Ob diese sich damit zufriedengeben oder weiter juristisch gegen die Fluggesellschaft vorgehen werden, bleibt abzuwarten.