Analyse

Blick nach Teheran

Foto: picture alliance / AA

Wenn man den israelischen Verlautbarungen trauen darf, dann ist es der Armee und der israelischen Luftwaffe (IAF) in den letzten Jahren gelungen, etwa 90 Prozent der iranischen Infrastruktur in Syrien zu zerstören und den Versuch Teherans zu verhindern, sich im Nachbarland, gemeinsam mit der Hisbollah, zu etablieren.

Das mag sich zunächst wie ein kleiner Sieg für die Israelis anfühlen, aber die Probleme mit dem Iran sind deswegen noch lange nicht vorbei. Während die USA inzwischen schon offiziell verlautbaren lassen, dass sie keine Möglichkeit mehr sehen, ein neues Nuklearabkommen mit dem Regime des Ayatollah Khamenei abzuschließen, halten europäische Staaten, wie beispielsweise Deutschland, immer noch an dieser Möglichkeit fest, auch jetzt noch, während tagtäglich iranische Teenager während ihres Protestes gegen die Unterdrückung auf offener Straße von den Schergen des Regimes angegriffen und getötet werden.

umdenken Die Kopftuch-Demonstrationen bringen erst allmählich ein Umdenken in Europa in Gang. Neue Sanktionen werden beschlossen, allerdings, wie in Deutschland, erst einmal nur gegen die Sittenpolizei. Das wird mit Sicherheit nicht reichen, um Präsident Raisi zum Umdenken zu bewegen. Noch mag man sich dieser Realität nicht wirklich stellen, agiert vorsichtig und schickt damit den Iranerinnen und Iranern, die um ihre Freiheit kämpfen, das falsche Signal.

Das Hauptaugenmerk Jerusalems bleibt weiterhin auf die fortschreitende Entwicklung des iranischen Atomprogramms gerichtet.

Das Hauptaugenmerk Jerusalems bleibt allerdings weiterhin auf die fortschreitende Entwicklung des Atomprogramms des Iran gerichtet. In einem sind sich alle Politiker in Jerusalem einig: Ein neues JCPOA-Abkommen wäre verheerend. Nur, die sich nun abzeichnende Alternative ist keinen Deut besser. Die Region steuert auf einen beinahe unvermeidlichen Krieg zu.

Ohne einen belastbaren Nukleardeal, der ermöglicht, dass unabhängige Beobachter wirklich überprüfen können, was in iranischen Atomanlagen geschieht, könnte die ewige Drohung Israels, notfalls müsse man diese bombardieren, schreckliche Realität werden. Und was dann? Werden die USA in solch einen Krieg eingreifen, ihn gar selbst führen? Und welche Folgen hätte so ein Krieg für Israel selbst, seine Bevölkerung und Infrastruktur?

implikationen Bis es so weit ist, gibt es noch eine Reihe anderer Sorgen für Israel. Die neue Kooperation zwischen Russland und Iran in der Ukraine hat Implikationen für den jüdischen Staat, die nicht zu unterschätzen sind. Einerseits gibt der Einsatz iranischer Drohnen und möglicherweise auch bald schon iranischer Raketen im europäischen Kriegsgebiet Israel die Möglichkeit, diese genau zu studieren.

Allen in Israel ist klar, dass das iranische Regime der Feind ist, nicht das Volk.

Andererseits ist diese Waffenbruderschaft möglicherweise doch noch Gamechanger für Israels Handlungsfreiheit über Syrien. Erst vor gut einer Woche hat Israels Luftwaffe zum ersten Mal seit über einem Monat wieder Ziele in der Nähe von Damaskus angegriffen.

Nachdem Russland die Israelis gewarnt hatte, keine Waffen an die Ukraine zu liefern, da sonst die Beziehungen zwischen Moskau und Jerusalem zerstört seien, glaubten viele, die israelische Luftwaffe sei in letzter Zeit deswegen am Boden geblieben, weil Putin den Luftraum über dem Libanon nicht mehr freigibt.

waffenlieferungen Das scheint nun doch nicht der Fall. Offiziell heißt es aus Jerusalem, man habe kaum noch Ziele gehabt, weil man so erfolgreich im Kampf gegen iranische Stellungen sei, Teheran suche verzweifelt nach neuen Wegen, um Waffenlieferungen nach Syrien und auch in den Libanon zur Hisbollah zu ermöglichen. Offensichtlich funktioniert also die seit Jahren existierende Abstimmung zwischen dem israelischen und dem russischen Militär in Syrien immer noch.

Aber was geschieht, sollte Iran seine Waffenlieferungen an Russland an Bedingungen knüpfen? Was, wenn Teheran Moskau darum bitten würde, die Israelis in die Schranken zu weisen, denn sonst sähe man sich nicht in der Lage, Russlands Krieg in der Ukraine aktiv zu unterstützen? Was würde Jerusalem dann tun? Einen Konflikt mit Putin riskieren, wenn man Entwicklungen in Syrien beobachten würde, die die nationale Sicherheit bedrohen? Davon müsste man ausgehen.

In Israel nimmt man den Kampf der Iraner, angeführt von jungen, mutigen Frauen, sehr genau wahr.

In Israel nimmt man unterdessen den Kampf der Iraner, angeführt von jungen, mutigen Frauen, sehr genau wahr. Zwar glaubt niemand daran, dass der Protest das Regime bald hinwegfegen könnte, doch es gibt viel Sympathie für die Menschen auf den iranischen Straßen, sogar Solidaritätskundgebungen wie erst neulich in Jerusalem.

hymne Die israelische Schauspielerin und Sängerin Liraz Charhi (Teheran), die aus einer iranisch-jüdischen Familie stammt, hat soeben ihr zweites Album auf Farsi herausgebracht, das in Istanbul im Geheimen mit israelischen und iranischen Musikern aufgenommen wurde. Sie und viele Israelis sind stolz, dass inzwischen einer ihrer Songs eine der Hymnen des iranischen Protestes geworden ist.

Allen in Israel ist klar, dass das iranische Regime der Feind ist, nicht das Volk. Und die Älteren erinnern sich noch wehmütig daran, wie es war, als es täglich eine EL-AL-Maschine von Tel Aviv nach Teheran gab. Wird es eines Tages wieder solche Flüge geben? Wie sagte schon Theodor Herzl 1897: »Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen.« Dieses Märchen werden die Iraner wahr werden lassen müssen. Für sie und für die gesamte Region wäre ihr Sieg gegen das Regime ein Segen.

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025

New York

46 Prozent aller Erwachsenen auf der Welt haben antisemitische Ansichten

Die Anti-Defamation League hat 58.000 Menschen in 103 Ländern befragt

 14.01.2025

NRW

NRW-Leitlinien für zeitgemäßes Bild des Judentums in der Schule

Mit Büchern gegen Antisemitismus: NRW-Bildungsministerin Feller hat zwölf Leitlinien für die Darstellung des Judentums in der Schule vorgestellt. Denn Bildungsmedien seien ein Schlüssel zur Vermittlung von Werten

von Raphael Schlimbach  14.01.2025

Faktencheck

Hitler war kein Kommunist

AfD-Chefin Weidel bezeichnet den nationalsozialistischen Diktator als »Kommunisten«. Diese These wird von wissenschaftlicher Seite abgelehnt

 14.01.2025

Berlin

Wegen Gaza-Krieg: Syrer beschädigt erneut Gebäude im Regierungsviertel

Erst das Innenministerium, dann der Amtssitz des Bundeskanzlers: Zweimal binnen weniger Tage fasst die Polizei in Berlin einen Mann, der wegen des Gaza-Kriegs wütet

 14.01.2025

Studie

Frauen und jüdischer Widerstand bei Schulnamen unterrepräsentiert

Welche Persönlichkeiten prägen die Namen deutscher Schulen? Eine Studie zeigt: Pädagogen spielen eine große Rolle. Frauen und Juden eher weniger

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

7. Oktober

Einigung auf Geisel-Deal zum Greifen nahe 

Ein Drei-Stufen-Plan sieht Medien zufolge die Freilassung von Geiseln sowie palästinensischen Häftlingen vor. Das Weiße Haus gibt sich optimistisch, dass bald ein Deal stehen könnte

von Julia Naue  13.01.2025 Aktualisiert