Ich hätte mir gewünscht, meinen Eltern noch viele Fragen stellen zu können. Aber ich bin 1936 geboren worden, sie sind längst verstorben. Meine Eltern flohen vor den Nazis aus Deutschland nach Island, das damals unter dänischer Flagge stand. Dort bin ich auf die Welt gekommen. Der erste auf der Insel geborene Jude.
Doch von den Isländern wurden wir wieder zurück nach Deutschland geschickt. Unser dänisches Kindermädchen auf Island gab meinen Eltern einen Zettel mit, auf dem der Kontakt einer Person stand, die uns in Dänemark helfen könnte. Alle Schiffe von Island nach Deutschland mussten in Dänemark einen Zwischenhalt einlegen. Dort kamen wir unter.
Doch als die Nazis einmarschierten, wurde es auch für uns gefährlich und wir mussten erneut flüchten. Wir konnten uns ins neutrale Schweden retten. Aber der Kapitän des Schiffs nahm nur unsere Eltern mit, nicht meine Geschwister und mich. So kamen wir auf einen Bauernhof, der zu einem Kinderheim umfunktioniert worden war. Das Kindermädchen aus Island hat unser Überleben möglich gemacht.
Auf dem Bauernhof gab es auch einen deutschen Soldaten, der meine Schwester entdeckte, aber nicht verriet. Nach anderthalb Jahren fanden uns meine Eltern und holten uns ab. Wir blieben noch zehn Jahre in Dänemark. Dann kamen wir nach Konstanz, wo wir wieder Antisemitismus erfuhren.
Nun finde ich es traurig, dass gerade mal 200 Leute sich an der Solidaritätsdemo für Israel beteiligen. Zu den pro-palästinensischen Demos kommen mehr. Ich habe keine Patentlösung dafür, damit sich die Geschichte nicht mehr wiederholt. Aber ich möchte allen sagen: Seid wachsam, bleibt standhaft und zeigt euren Protest. Wenn alle Menschen nach Frieden streben würden, wären Kriege und Hass schnell Geschichte.
Der Autor wurde 1936 in Island geboren, wohin seine Familie geflohen war. In dem Buch »Felix. Der lange Weg« hielt Simone Harre seine Biografie fest.