Romi Atoun ist ein klein wenig aufgeregt. »Schließlich singt man ja nicht jeden Tag auf dem Fest eines Staatsoberhauptes«, sagt die 17-Jährige aus Herzlija. Zusammen mit anderen Teenagern aus ihrem Gymnasium in Kfar Hajarok, arabischen Schülern aus Akko und Haifa sowie ihren gleichaltrigen deutschen Gastgebern hatte Romi heute ihren großen Auftritt auf dem Bürgerfest von Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue.
Seit Tagen schon haben alle dafür eifrig geprobt, jeder wollte sein Bestes geben und musikalisch etwas präsentieren, das typisch für seine Schule oder seine Stadt ist. »Aber zugleich wollen wir auch die Botschaft vermitteln: Engagiert euch! Wenn man bereit ist, andere Menschen kennenzulernen, dann ist es egal, ob jemand Jude oder Araber ist und woher man kommt.«
Engagement Damit lieferte die junge Israelin gleich das Stichwort für das Thema, das neben viel Spaß und einem reichhaltigen Kulturprogramm im Mittelpunkt des Bürgerfestes stand: ehrenamtliches Engagement. »Ich finde es wunderbar, dass der Bundespräsident mit einer solchen Veranstaltung die Arbeit von ehrenamtlichen Helfern würdigt und gleichzeitig zu mehr Mitmachen aufruft«, freut sich Martin Auerbach von AMCHA in Israel, einer Hilfsorganisation für Schoa-Überlebende und ihren Familien, bevor er gemeinsam mit Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman und Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), das Podium betrat, um sich vor einem interessierten Publikum den Fragen der beiden Moderatoren Franziska Maushake und Dirk Platt zu stellen. »Das bringt sehr viel Energie zurück«, glaubt Auerbach.
»Konkrete Unterstützung ist sehr wichtig, aber genauso sollte in der Öffentlichkeit immer auch deutlich zu sehen sein, dass überhaupt geholfen wird.« Das steigere die Motivation und sei zugleich eine große Auszeichnung für alle ehrenamtlichen Helfer, bekräftigt Martin Auerbach. »Vor allem dann, wenn ausgerechnet der höchste Repräsentant des Staates auf ihr Engagement hinweist und sie dadurch ehrt.«
»Die Idee, dieses Jahr Israel als Gastland des Bürgerfestes zu ernennen, ist vor dem Hintergrund des 50. Jubiläums der Aufnahme der diplomatischer Beziehungen zwischen dem jüdischen Staates und Deutschland auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen«, erklärte vorab Reinhold Robbe. »Auf diese Weise kann man einem breiten Publikum noch einmal zeigen, dass dies nicht irgendwelche Kontakte mit einem anderen Land sind, sondern ganz besondere«, betonte er und verwies auf die Notwendigkeit solcher Veranstaltungen. »Wenn die Israelis in Umfragen Deutschland zu einem der beliebtesten Ländern erklären, aber umgekehrt die Deutschen gegenüber Israel große Vorbehalte haben, dann haben wir schlichtweg ein Problem und müssen weiter aufklären.«
Schlussstrich Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman sieht in diesen Umfragen ein weiteres Problem. »Offensichtlich drückt sich damit auch der Wille vieler Deutscher aus, sich nicht länger der Vergangenheit stellen zu wollen, sondern einen Schlussstrich zu ziehen. Vielleicht haben diese Menschen einfach noch nicht verstanden, dass Verantwortung keine Strafe bedeutet.«
Bei den Gästen des Bürgerfestes, die nicht zuletzt aufgrund des tollen Spätsommerwetters zu Tausenden in die weitläufigen Parkanlagen von Schloss Bellevue geströmt waren, kamen die Botschaften und Statements jedenfalls gut an. Viele hörten nicht einfach nur zu, sondern diskutierten nach Abschluss der Gesprächsrunde eifrig weiter. Eine ältere Dame ging spontan auf Reinhold Robbe zu und wollte sofort Mitglied in der DIG werden.
Und dann waren endlich auch die israelischen und deutschen Teenager an der Reihe und beeindruckten mit ihren unterschiedlichen Gesangsdarbietungen. Zum Schluss standen sie alle gemeinsam auf der Bühne und sangen ein Beatles-Medley. »Schade nur, dass der Bundespräsident uns nicht live hat singen hören,« klagte Romi. Denn Joachim Gauck selbst war nur für wenige Augenblicke vor Ort erschienen.