Benjamin Netanjahu will reden. Aller Kritik zum Trotz beharrt der israelische Regierungschef da-rauf, am 3. März, also kurz vor den Knessetwahlen, vor dem amerikanischen Kongress die israelische Sicht auf die Bedrohung aus dem Iran darzulegen. Netanjahu sagt, dies sei keine »politische Angelegenheit, sondern eine existenzielle«.
Für diese Entscheidung wird er in Israel und in den USA, auch von vielen amerikanischen Juden, heftig kritisiert. Die Kritiker schließen sich der Haltung von US-Präsident Barack Obama an, der fürchtet, dass durch eine Netanjahu-Rede im Capitol ein mögliches Atomabkommen mit dem Iran torpediert werden könnte. US-Vizepräsident Joe Biden hat seine Teilnahme an der Kongress-Sitzung schon abgesagt.
differenzen Netanjahu kontert die Kritik mit dem Hinweis, dass es nicht um die Frage gehe, ob die Beziehung zu den USA durch die Meinungsverschiedenheiten in Sachen Iran belastet wird. »Seit der Gründung des Staates bis heute gab es unterschiedliche Auffassungen über Angelegenheiten, und die Verbindung blieb stark. So wird es auch dieses Mal sein.«
Unbestätigten Informationen, Netanjahu werde seine Rede hinter verschlossenen Türen halten, widersprach man im Umfeld des Ministerpräsidenten. Schließlich betont Netanjahu, die ganze Welt müsse hören, welche Bedrohung das Teheraner Regime wirklich darstelle. Es gebe keine Änderung des Plans, heißt es aus dem Büro des Regierungschefs.
In Israel kommt dieser Plan gar nicht gut an. Sogar der ehemalige Botschafter in den USA, Michael Oren, riet Netanjahu, die Rede besser nicht zu halten. Die Oppositionspolitiker Zipi Livni und Yair Lapid meinen, dass der Regierungschef nur für Wahlpropaganda die Verbindung zu den USA zerstöre. Livni erklärte weiter, dass die Abwesenheit von Biden zeige, »wie sehr sich Netanjahu um seine Interessen kümmert«. Statt abzusagen, denke er nur an sein eigenes Ziel, »nicht an das Wohl des Staates«.
Auch der Großteil der israelischen Bevölkerung wäre froh, wenn Netanjahu einen Rückzieher machte. Eine Umfrage im Armeeradio ergab, dass fast die Hälfte der Israelis, 47 Prozent, meinen, ihr Ministerpräsident solle nicht sprechen, und nur 34 Prozent, dass er es durchziehen solle.
USA In den USA stellt sich die Diskussion um Netanjahus Rede nicht wesentlich anders dar. John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Netanjahu einlud, hatte gute Absichten, wie ihm die meisten Kommentatoren bescheinigen. Der Republikaner habe mithilfe Netanjahus, der ja ein auf diesem Gebiet erfahrener Staatsmann ist, auf die ernsthafte Bedrohung durch den Iran aufmerksam machen wollen, heißt es. Allerdings habe er den US-Präsidenten nicht in seine Pläne einbezogen. Und genau dies könnte sich als Bärendienst für das Verhältnis der USA zu Israel erweisen.
Was sich jedoch in der Debatte um eine Iran-Rede Netanjahus zeigt, sind die Auswirkungen von Obamas Iranpolitik. Sie sorgt für Spaltungen auch innerhalb der Parteien. Republikaner und führende Demokraten haben sich in Sachen Iran vom Präsidenten distanziert. Sie glauben nicht an Obamas Traum von einer neuen Machtordnung im Nahen und Mittleren Osten unter einer stabilisierenden Führung des Mullahregimes.
Daher wollen sie per Gesetz weitere Sanktionen gegen den Iran verhängen – wogegen Obama schon sein Veto angedroht hat. Der demokratische Senator Bob Menendez aus New Jersey kommentierte, die Stellungnahmen aus dem Weißen Haus zum Thema Iran klängen »wie Parolen direkt aus Teheran«.
spaltung Doch auch die Stimmen in den USA, die sich gegen Netanjahus Rede aussprechen, betonen, dass sie Israel unterstützen. »Diese Einstimmigkeit hat durch den Streit um Netanjahus Auftritt im Kongress einen erheblichen Knacks bekommen«, bedauert Mark Moskowitz, Regionaldirektor der Anti-Defamation League in Atlanta. Eine Rede, auch wenn sie als Verteidigung Israels sowie strengerer Sanktionen gegen den Iran gedacht sei, würde Israel am Ende mehr schaden als nutzen. »Es ginge gar nicht mehr in erster Linie um das, was der Premierminister in seiner Rede zu sagen hatte, sondern allein um die durch deren Umstände verursachte Spaltung der Parteien«, sagt Moskowitz.
In der Tat haben bereits zahlreiche Abgeordnete beider Kammern angekündigt, der Rede fernzubleiben. Damit würde die Auseinandersetzung über eine gemeinsame Iranpolitik konterkariert.
Um dem amerikanisch-israelischen Verhältnis nicht noch weiteren Schaden zuzufügen, haben die großen jüdischen Interessenverbände und Organisationen wie die Anti-Defamation League, die Union for Reform Judaism, J Street sowie das Israel Policy Forum Netanjahu geraten, seine Rede jedenfalls zum jetzt geplanten Zeitpunkt abzusagen.