Brit Mila

Beschneidung bleibt

Gesetzesvorlage nach Beratung: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Foto: dpa

Die Brit Mila bleibt straffrei, das ist das entscheidende Zeichen, das die Bundesregierung am Mittwochvormittag gesetzt hat. Das Kabinett verabschiedete den »Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes«. Das Gesetz soll dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugeordnet sein, nicht dem Strafrecht. Auch das ist nach Angaben von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) »ein wichtiges Signal, um die entstandene Verunsicherung zu beseitigen«.

Im Kern sieht das Gesetz vor, dass Eltern das Recht haben, eine Beschneidung ihres männlichen Kindes zu verlangen, wenn nicht ausdrücklich, etwa aus gesundheitlichen Gründen, das Kindeswohl gefährdet ist. Bis zum Alter von sechs Monaten dürfen auch Nichtärzte den Eingriff vornehmen, wenn sie dafür ausgebildet sind und dies »nach den Regeln der ärztlichen Kunst« geschieht. Dieser Passus legalisiert die Praxis von Mohalim, die neugeborene Knaben am achten Tag beschneiden. Für Zirkumzisionen nach dem sechsten Monat, wie sie bei Muslimen häufig vorkommen, ist zwingend ein Arzt vorgesehen.

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte den Gesetzentwurf »ausgesprochen lebensklug, ausgewogen und fair«, auch wenn der Zentralrat Zugeständnisse hatte machen müssen. »Die Debatte ist ein Toleranztest für die Gesellschaft, wir werden ihn bestehen, aber nicht glanzvoll.« Im Streit um die Beschneidungen seien sehr viele feindselige Töne zu hören gewesen.

bundestag Leutheusser-Schnarrenberger erklärte im Anschluss an die Kabinettssitzung: »Die parlamentarischen Beratungen können jetzt intensiv aufgenommen werden.« Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir begrüßte, dass die Bundestagsfraktionen die Abgeordneten vom Fraktionszwang befreien wollen. »Die Frage der Beschneidung von Jungen ist keine, die per Mehrheitsbeschluss in Parteien entschieden werden sollte«, so Özdemir.

Die Einigkeit der Koalition wie auch der Spitzen der Oppositionsparteien verdeckt nämlich heftige Kritik, die in allen Parteien an dem Entwurf geäußert wird. Eckhard Pols (CDU), der für seine Fraktion in der Kinderkommission des Bundestags sitzt, sagte, man dürfe das Gesetz »nicht einfach so durchwinken«, das Kindeswohl müsse über der Religionsfreiheit stehen. Die kinderpolitische Sprecherin der Grünen, Katja Dörner, sagte, hier werde »das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit zur Disposition« gestellt.

Und Marlene Rupprecht, Kinderbeauftragte der SPD-Fraktion, erklärte, sie sei »erschüttert«, dass die Beschneidung im Familienrecht geregelt werde, wo doch auch vom – durch die Beschneidung beschädigten – Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung die Rede sei. Hier würde, sagte Rupprecht in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, für eine Gruppe ein besonderes Recht geschaffen.

kritik Scharfe Kritik wird ebenfalls von diversen Kinderschutzorganisationen formuliert. Auch der Jurist Reinhard Merkel, der im Ethikrat gegen eine Legalisierung der Beschneidung kämpfte, nannte den Entwurf »kläglich«. Anästhesie, Vetorecht des Kindes und genauer Zuschnitt auf Religionen fehlten, bemängelte er in einem Interview. Ein Vetorecht für Kinder hatte zuletzt auch die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, gefordert.

Trotz dieser Kritik überwiegt in der Debatte die Zustimmung zum Gesetzentwurf. Sogar Heinz Hilgers vom Deutschen Kinderschutzbund hatte die Eckpunkte des Entwurfs, die in der vergangenen Woche bekannt wurden, mit den Worten kommentiert, dass er »bedingt« zufrieden sei. Schließlich wolle seine Organisation nur gegen Beschneidung werben, aber »den Eltern nicht mit dem Strafrecht drohen«.

Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte bereits die Eckpunkte gelobt: Nach den »Klarstellungen zur Schmerzfreiheit« falle es ihr leicht, dem Gesetz zuzustimmen. Der Bundestag soll das neue Gesetz noch in diesem Jahr beschließen.

Gemeinden

Blick auf ein besonderes Jahr

Die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagte in München. Für große Begeisterung im Saal sorgte die Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder

von Katrin Richter  24.11.2024

Vereinte Arabische Emirate

Chabad-Rabbiner in Dubai vermisst

Berichten zufolge könnte der Rabbiner durch den Iran entführt oder ermordet worden sein

 24.11.2024

Kriminalität

»Schwachkopf«-Post zu Habeck: Jetzt melden sich die Ermittler zu Wort

Ein Mann soll Wirtschaftsminister Habeck im Netz beleidigt haben. Dass dann die Polizei zu Besuch kam, sorgte nicht nur im Umfeld des Vizekanzlers für Verwunderung. Die Ermittler liefern Erklärungen

von Frederick Mersi  22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024

Debatte

Theologen werfen Papst einseitige Sicht auf Nahost-Konflikt vor

Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthalte einen »blinden Fleck im Denken«

 22.11.2024

Debatte

CDU-Ministerpräsident verurteilt Haftbefehl gegen Netanjahu

»Völlig ausgeschlossen, dass ein demokratisch gewählter Ministerpräsident aus Israel auf deutschem Boden verhaftet wird, weil er sein Land gegen Terroristen verteidigt«

 22.11.2024

CDU/CSU

Unionspolitiker: Verhaftung von Netanjahu auf deutschem Boden »unvorstellbar«

Die größte Oppositionsfraktion kritisiert die fehlende Haltung der Bundesregierung

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Internationaler Strafgerichtshof

»Halten uns an Recht und Gesetz«: Jetzt äußert sich die Bundesregierung

Außenministerin Annalena Baerbock will aber noch genauer prüfen, was der Entscheid des IStGH bedeutet

 22.11.2024