Das Bundesland Berlin hat 2020 einen neuen Höchststand an rechten, rassistischen und antisemitischen Vorfällen verzeichnet. Insgesamt habe es im vergangenen Jahr 3822 Vorfälle und damit 17 Prozent mehr als noch 2019 gegeben, sagte am Dienstag die Koordinatorin der Berliner Registerstellen, Kati Becker. Durchschnittlich seien es also zehn Vorfälle pro Tag gewesen.
DEBATTE Insgesamt seien über die Hälfte (58 Prozent) davon sogenannte Propagandavorfälle gewesen, gefolgt von Angriffen auf Personen (zehn Prozent). Der größte Anteil, gut ein Drittel der registrierten Fälle, seien rassistisch motivierte Taten gewesen, hieß es weiter. Hinzu kamen 20 Prozent antisemitische Vorfälle sowie 16 Prozent Verharmlosung des Nationalsozialismus. 13 Prozent wurden der rechten Selbstdarstellung zugeordnet. Gegen politische Gegner richteten sich zehn Prozent der Vorkommnisse. Fünf Prozent richteten sich gegen Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung.
Den Anstieg der Vorfälle erklärte Becker unter anderem mit der im Jahr 2020 auch in Deutschland stärker geführten Rassismusdebatte. Zudem gebe es in Berlin mittlerweile mehr Meldestellen. Betroffene würden sich häufiger als in der Vergangenheit trauen, entsprechende Vorfälle anzuzeigen. Zugleich betonte die Koordinatorin: »Es gibt sichtbare und unsichtbare Phänomene.« So würden viele Menschen Hakenkreuzschmierereien als Problem erkennen und melden: »Im Gegensatz dazu machen Betroffene rassistische Diskriminierung oft erst dann bekannt, wenn sie in existenziellen Nöten sind und sich Hilfe suchen.«
CORONA-DEMOS Das Thema Rassismus sei mit weiteren Kooperationspartnern genauer betrachtet worden. So verzeichnet das Projekt »Each One - Antidiskriminierung«, das von Anti-Schwarzem-Rassismus Betroffene berät, einen stetig wachsenden Zulauf.2020 seien hier insgesamt 376 Fälle gemeldet worden.
Im Jahr 2019 waren es 113 Fälle und 2018 insgesamt 73 Fälle, wie der Projektleiter von »Each One - Antidiskriminierung«, Jeff Kwasi Klein, sagte. Der Zuwachs erkläre sich zum Teil durch die gestiegene Sichtbarkeit und den Bekanntheitsgrad der Beratungsstelle sowie durch die »bundesweite Rassismusdebatte im Zuge der rassistischen Ermordung von George Floyd«.
Die Koordinatorin der Berliner Registerstellen Becker verwies außerdem auf den Anstieg von rechtsextremen Inhalten im vergangenen Jahr. Dazu gehörten Antisemitismus (plus 176 Vorfälle), NS-Verharmlosung (plus 266), rechte Selbstdarstellung (plus 176) und Aktivitäten gegen politische Gegner (plus 117). Konkret handele es sich dabei häufig um Hakenkreuzschmierereien, NS-Parolen oder um Sticker rechter Organisationen.
Im Blick waren 2020 zudem Demonstrationen von Kritikern der Corona-Maßnahmen. Rechtsextreme seien dabei geduldet gewesen. So hätten sich auch antisemitische Inhalte auf allen dokumentierten Veranstaltungen verbreiten können, betonte Becker. epd