Meinung

Berlin–Jerusalem und zurück

Moshe Zimmermann Foto: dpa

In Jerusalem entstand eine HU, noch bevor es eine HU in Berlin gab. Denn die Hebräische Universität wurde in Jerusalem 1925 gegründet, 24 Jahre bevor sich die Universität im Stadtzentrum Berlins den Namen Humboldt gab.

Doch diese Chronologie täuscht, denn das Verhältnis HU–HU ist eher umgekehrt. Vor allem in der Gründerzeit der HU Jerusalem war die Alma Mater einer großen Zahl der dortigen Dozenten und Professoren die HU Berlin, selbstverständlich unter ihrem alten Namen: Friedrich-Wilhelm-Universität.

tradition Um ein für mich relevantes Beispiel zu nennen: Der 1934 aus Nazideutschland nach Palästina ausgewanderte Richard Koebner, Vater des Fachbereichs Geschichte in Israel, schrieb seine Dissertation in Berlin. Nach ihm ist das im Jahr 1980 gegründete Institut für deutsche Geschichte an der HU Jerusalem benannt. Auch der erste Jerusalemer Geschichtsprofessor, der es zum Erziehungsminister brachte, Ben-Zion Dinur, hat an der Berliner Uni studiert.

Noch stärker waren ab 1933 in der HU Jerusalem ehemalige Studenten und Dozenten aus der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fakultät der Berliner Universität vertreten. Es war vermutlich auch kein Zufall, dass Emigranten aus Mitteleuropa, die an der HU Jerusalem tätig waren, zum harten Kern der Brit-Shalom-Bewegung zählten, die seit den 30er-Jahren einen friedlichen Ausgleich mit den Palästinensern anstrebt. Diese Tradition allerdings befindet sich heute an israelischen Universitäten auf dem Rückzug.

68-er Manche behaupten sogar, dass seit der 68er-Bewegung in Deutschland die einzige noch nach alten Regeln agierende »echt deutsche« Universität die HU in Jerusalem geblieben ist. Tatsächlich wurden die an deutschen Universitäten ausgebildeten Wissenschaftler zur Zeit der Staatsgründung zum Rückgrat des Lehrkörpers der HU Jerusalem (und später auch der jüngeren Universitäten in Israel).

Deutsche Traditionen spielten darüber hinaus im akademischen Bereich eine entscheidende Rolle. Bis heute heißt meine Fakultät auf Hebräisch »Mada’ei Ha’ruach«, aus dem Deutschen übersetzt »Geisteswissenschaften« und nicht etwa »Humanities«, »sciences humaines« oder »liberal arts«. Umso wichtiger war diese Vergangenheit für den Aufbau der Brücken nach 1945 – Martin Buber oder Gershom Scholem wären hier zu erwähnen. Dass die Bundesrepublik nach Amerika der zweitwichtigste akademische Partner Israels geworden ist, steht im engen Zusammenhang mit dieser Facette der Vergangenheit.

Der Autor ist Inhaber des Richard-Koebner-Lehrstuhls für Deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Deutschland

Rechtsextremismus beunruhigt Deutsche stärker als Zuwanderer

Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu, während die Angst vor Rechtsextremismus bei Deutschen ohne Migrationshintergrund besonders hoch ist. Was verrät die neue KAS-Studie noch?

 09.12.2025

Medien

Äußerst ungewöhnlicher Schritt: Irans Staatssender gesteht Fehler bei Kriegsberichterstattung ein

Nach dem Krieg gegen Israel gesteht der Präsident des iranischen Staatssenders eine Falschmeldung ein. Die Hintergründe

 09.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 09.12.2025

Naher Osten

Bericht: Keine Rolle für Tony Blair bei Gaza-Friedensrat

Anstelle Blairs ist der bulgarische Diplomat und ehemalige Nahostgesandte Nickolay Mladenov im Gespräch, wie die »Financial Times« vermeldete

 09.12.2025

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025

Toronto

Miriam Mattova aus Uber geworfen, weil sie Jüdin ist

»Was passiert ist, ist nicht nur ein unangenehmer Moment. Es ist eine Erinnerung daran, warum es wichtig ist, sich zu äußern«, sagt das Model

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Jerusalem

Ein neuer Sound?

Unterwegs mit Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Antrittsreise in Israel

von Philipp Peyman Engel  07.12.2025