Wie involviert darf ein Journalist sein, der über Israel schreibt? Die New York Times stellt gerade fest, dass ihre Israelberichterstattung genauso umstritten ist wie alles, was mit dem Heiligen Land zusammenhängt. Denn Korrespondent Ethan Bronner hat einen Sohn, der in der israelischen Armee dient. Und er ist mit einer Israelin verheiratet. Das berichtete vor ein paar Wochen die palästinenserfreundliche Website Electronic Intifada. Seitdem wird gestritten. Clark Hoyt, unabhängiger Vertreter der Leserschaft der Times, regte an, den Reporter an einen anderen Ort zu versetzen. Die Times dürfe nicht an Glaubwürdigkeit verlieren. Die Zeitung hat ethische Richtlinien, die es verbieten, dass Mitarbeiter sich in Interessenkonflikte begeben – so dürfen Finanzreporter keine Aktien besitzen, Architekturkritiker nicht in Wettbewerbsjurys sitzen, und Artikel über die Familie sind sowieso tabu. Hoyt berichtet von mehr als 400 Beschwerden von Lesern, von denen auch einige Bronner als zu israelkritisch sehen.
erfahrung Times-Chefredakteur Bill Keller ist anderer Meinung. Bronner sei ein erfahrener Journalist und seit mehr als 27 Jahren Korrespondent. Wenn ein Reporter Kenntnis von Sprache, Geschichte und Kultur eines Landes habe, bereichere das generell seine Berichterstattung. So sei die Korrespondentin in Teheran eine vor Chomeini geflüchtete Exiliranerin. Isabel Kershner, die zweite Frau im Jerusalem-Büro der Times, ist jüdische Israelin. Und Joel Greenberg, Bronners Vorgänger und israelischer Staatsbürger, war Soldat der Zahal, bis er sich weigerte, am Einmarsch in den Libanon teilzunehmen. Seine Zeitung werde auch weiterhin jüdische Korrespondenten nach Israel schicken, sagt Keller. Und: Bronner sei nicht für seinen erwachsenen Sohn verantwortlich. Die Leser teilen Kellers Ansicht nicht unbedingt. »Warum muss jeder einzelne Bürochef in Jerusalem jüdischen Glaubens sein?«, fragt einer. Andere schreiben, dass Bronner über Konflikte berichte, bei denen sein Sohn im Kampfeinsatz sei. Wieder andere meinen, die Times würde ja schließlich auch keinen Israel-Korrespondenten dulden, der einen Sohn bei der Hamas habe. Bronner selbst vertritt den Standpunkt, er wolle nach seinen Artikeln beurteilt werden und nicht nach seiner Biografie.
verteidiger Unter Kollegen ist der Fall ebenfalls umstritten. Lysandra Ohrstrom schrieb in der Huffington Post, Bronner habe die New York Times zum Sprachrohr für die israelische Besatzung gemacht, er schreibe fast alle Artikel aus der Sicht der Israelis und unterschlage den Tod von palästinensischen Kindern. Hingegen stuft Morton Klein von der Zionist Organization of America Bronner als zu palästinenserfreundlich ein. Die linke jüdische Wochenzeitung Forward wiederum verteidigt den Korrespondenten: Zahal ist Teil des israelischen Lebens, es sei unmöglich, nichts mit ihr zu tun zu haben.