Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt fordern von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) eine Ausweitung der Entschädigungszahlungen für Betroffene rassistischer Angriffe.
Die Härteleistungen des Bundes würden bislang nicht für zerstörtes Inventar, Renovierungskosten oder existenzbedrohende Einnahmeverluste gewährt, heißt es in einem am Dienstag in Berlin vorgestellten Brief an Lambrecht. Darin wird eine Entschädigung auch für Sachschäden und wirtschaftliche Verluste gefordert.
Unterzeichnet wurde das Schreiben des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt unter anderem auch von Bundestags- und Landtagsabgeordneten von SPD, Grünen und Linken, der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen des NSU-Terrors, Barbara John, dem Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, und dem Antisemitismusbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa.
Der Brief verweist auf den Döner-Imbiss in Halle und die Shisha-Bar in Hanau, deren Weiterbetrieb nach den dortigen Anschlägen schwierig oder gar nicht möglich sei. »Rassistisch und antisemitisch motivierte Gewalt will auch die wirtschaftliche Existenz der Angegriffenen und ihrer Familien vernichten und sie aus den Unternehmens- und Gewerbestrukturen vor Ort verdrängen«, heißt es darin.
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke (SPD), setzt sich für eine Ausweitung der finanziellen Hilfen für Opfer von Terrorismus und Extremismus ein. »Wir brauchen schnelle finanzielle Hilfen, um auch bei materiellen Schäden die größte Not der Betroffenen lindern zu können«, sagte Franke am Dienstag in Berlin vor dem Hintergrund der Forderungen auf der Bundespressekonferenz. Die sogenannten Härteleistungen des Bundes sehen den Ersatz bei Sachschäden bislang nicht vor. Es werde nun geprüft, wie der Bund auch dabei helfen könne, sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums.
Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt stellten am Dienstag in Berlin zudem ihre Jahresstatistik für 2018 vor. Demnach wurden in acht Bundesländern 1347 rechtsextrem, rassistisch oder antisemitisch motivierte Angriffe gezählt. Das sei zwar ein Rückgang um zehn Prozent, ergänzte Porath. Die Bedrohungslage durch Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus habe sich aber verschärft, sagte die Geschäftsführerin der Opferperspektive Brandenburg, Judith Porath, am Dienstag in Berlin.
Sie verwies dabei auf die drei Todesopfer infolge rechter Anschläge im vergangenen Jahr - den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die beiden Opfer des Attentäters, der im Oktober
2019 die Synagoge in Halle angegriffen hatte und die von Betroffenen zunehmend als aggressiver wahrgenommene Stimmung. »Menschenverachtende Hetze und Bedrohungen im Netz lassen Hemmschwellen sinken. Aus Worten werden Taten«, erklärte Justizministerin Lambrecht dazu.
Die Statistik der Beratungsstellen listet nur Taten in den Bundesländern auf, in denen ein unabhängiges Monitoring durch Organisationen stattfindet. Das ist in Brandenburg, Berlin, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein der Fall. Auch in den anderen Bundesländern gibt es Beratungsstellen, die Kapazitäten reichten aber nicht überall für das Monitoring, erläuterte Porath.
Die Länder finanzieren nach ihren Angaben die Beratungsstellen sehr unterschiedlich. Bayern gebe beispielsweise »keinen Pfennig« zur Bundesförderung dazu, sagte Porath.
Die offizielle Statistik politisch motivierter Kriminalität des Bundeskriminalamtes listete 2018 insgesamt 1156 Gewalttaten von Rechtsextremisten auf, davon 1000 Körperverletzungen, eine vollendete und sechs versuchte Tötungen. epd