Der Fall ist schlimm, doch leider nicht so ganz unalltäglich. Zwei jüdische Schüler aus der Nähe von München, Zwillinge, die ein Wirtschaftsgymnasium besuchen, werden über Jahre von einem Mitschüler verhöhnt und beleidigt. »Da wurde auf dem Schulhof ›Saujude‹ oder ›Juden ins Gas‹ gerufen«, berichtet der Vater (Name der Redaktion bekannt). Einmal soll besagter Mitschüler im Unterricht die Hand zum Hitlergruß erhoben haben. Reaktionen seitens der Lehrer oder anderer Mitschüler: keine.
angriffe Einer der zwei jüdischen Schüler wechselt die Schule, sein Bruder wird von seinem Bedränger auf dem Schulhof körperlich angegriffen, gewürgt, es ist bedrohlich. Erst nach diesem Vorfall erzählen die Zwillinge ihrem Vater, was sie in den letzten Jahren erleben mussten. Sie zeigen ihm auch SMS und E-Mails des Mitschülers, in denen sie aufs Übelste antisemitisch beleidigt wurden.
Der Vater geht zur Polizei, erstattet Anzeige. Ein Kommissar kommt in die Schule, nimmt sich den Schüler vor. »Der hat anfänglich auch alles zugegeben«, erinnert sich der Vater, der Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde München ist. »Auch drei oder vier Mitschüler wollten als Zeugen aussagen.« Später soll der beschuldigte Schüler versucht haben, sich herauszureden und andere hineinzuziehen. Mittlerweile hat er die Schule verlassen, heißt es.
wegschauen Von den 124 Lehrern des mit 1200 Schülern recht großen Gymnasiums kommt immer noch keine Reaktion. Als die Jüdische Allgemeine nachfragt, erfährt sie nur, den Fall könne es nicht gegeben haben, auf der Schule seien gar keine jüdischen Schüler. Das Kultusministerium des Freistaates Bayern wurde verständigt, sagt der Vater. Doch nach Reaktionen fragt man vergeblich.
Am heutigen Donnerstag beginnt vor dem Amtsgericht München die Verhandlung in der Sache. Weil es sich um Jugendstrafrecht handelt, ist der Prozess nicht öffentlich, und das Gericht gibt keine Informationen heraus. Zeugen sind keine geladen, ist zu hören. Das ärgert den Vater. Nicht einmal die aussagebereiten Schüler oder der Polizist, der die ersten Ermittlungen durchgeführt hatte, sollen vernommen werden. Nun befürchtet der Vater, dass das Wegsehen und Ignorieren auch vor Gericht nicht enden wird.