Potsdam

Behörde unter Verdacht

War Verfassungsschutz an Anschlag auf Trauerhalle beteiligt?

von Martin Krauss  21.11.2016 17:24 Uhr

Tatort: Nach dem Brandanschlag am 8.Januar 2001 begutachten Polizisten die Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof in Potsdam. Foto: dpa

War Verfassungsschutz an Anschlag auf Trauerhalle beteiligt?

von Martin Krauss  21.11.2016 17:24 Uhr

Das ist 15 Jahre her, aber es liegt mir immer noch im Magen.» Erardo Rautenberg, Generalstaatsanwalt in Brandenburg, hat in der vergangenen Woche einen schwerwiegenden Verdacht ausgesprochen: Er könne nicht ausschließen, dass der Brandenburger Verfassungsschutz am 8. Januar 2001 an einem Brandanschlag auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam beteiligt gewesen ist.

indizien Über Beweise verfügt Rautenberg nicht, aber vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags trug er einige Indizien vor, die eine gründliche Neubeschäftigung mit dem Fall nahelegen: Für den Anschlag hatte es das Bekennerschreiben einer «Nationalen Bewegung» gegeben, von der man nach dieser Tat nie wieder etwas gehört hatte. Damals soll der Verfassungsschutz unter seinem Leiter Heiner Wegesin versucht haben, zu verhindern, dass sich die Bundesanwaltschaft damit beschäftigte. Als der Fall letztlich doch dort gelandet war, sollen die Brandenburger die Ermittlungen erschwert haben, indem sie einfach das Bekennerschreiben ins Internet stellten.

«Es ist ein reiner Verdacht, aber es ist höchste Zeit, den aufzuklären», sagte Rautenberg zur Jüdischen Allgemeinen. «Wenn er falsch ist, kriege ich Prügel, aber dann ist es wenigstens geklärt.»

Beim Brandenburger Innenministerium beharrt man indes darauf, dass es «keine Hinweise» auf eine Mitwirkung des Amtes an dem Anschlag gibt. «Rautenberg hat ja nur gesagt, er könne es nicht ausschließen», so ein Sprecher gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. Gleichwohl gibt man auch im Innenministerium zu, dass der Verdacht nicht neu ist: «Schon damals stand der Brandenburger Verfassungsschutz in der Kritik.» Und selbstverständlich werde man nun alle Unterlagen dem Landtagsausschuss zur Aufklärung zukommen lassen. «Daran haben wir ein eigenes Interesse.»

überforderung Warum das Innenministerium zwar zugibt, dass die Vorwürfe schon älter sind, sie aber erst jetzt untersuchen lässt, bleibt offen. «Wir sind weit entfernt davon, zu sagen, dass der Verfassungsschutz alles richtig gemacht hat», heißt es.

Aus Behördenkreisen hat die Jüdische Allgemeine erfahren, dass ein antisemitisch motivierter Vorfall wie der Anschlag auf die Trauerhalle als «Super-GAU» interpretiert wurde und womöglich den Verfassungsschutz überfordert habe.

Sicher ist, dass es auch nach 2004, nachdem Behördenchef Wegesin geschasst worden war, von mehreren Seiten Hinweise gegeben hatte, den Fall zu untersuchen. Doch von Untersuchungen ist nichts bekannt.

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Nahost-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Alice Salomon Hochschule

Nach Besetzung: Hochschulleitung soll Journalisten behindert haben

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung

 10.01.2025 Aktualisiert

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Interview im "Playboy"

Marcel Reif: Antiisraelische Hetze bei Demos ist Judenhass

»Ich hätte mir gewünscht, dass der Rechtsstaat viel schneller und viel härter eingreift«, sagt der Sportkommentator

 10.01.2025

USA

Kreuzritter 2.0? - Ein designierter US-Verteidigungsminister mit Kreuz(zug)-Tattoo

Pete Hegseth steht wegen seiner Tätowierungen in der Kritik. Angeblich symbolisieren sie eine Kreuzzugsideologie. Was hinter Jerusalemkreuz und Co. steckt

von Andrea Krogmann  10.01.2025

USA

Los Angeles: Auch jüdische Stars verlieren Häuser

Dazu gehören Adam Brody und Steve Guttenberg, der den Behörden half, Bewohner zu evakuieren

 10.01.2025

Washington D.C.

Wegen Haftbefehl gegen Netanjahu: US-Repräsentantenhaus beschließt Sanktionen gegen IStGH

Nun muss der Senat den Gesetzentwurf bestätigen. Auch dort haben die Republikaner eine Mehrheit

von Imanuel Marcus  10.01.2025

Meinung

Hitler ein Linker? Der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel

Mir ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  10.01.2025