Mitglieder der Führungsriege der AfD fallen immer wieder mit antisemitischen und den Holocaust relativierenden Aussagen auf. Nicht umsonst ist die gesamte Partei ein rechtsextremistischer Verdachtsfall.
Bestimmte Landesverbände und die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative wurden von den zuständigen Behörden sogar bereits als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft.
Diesmal ist es die Co-Bundessprecherin und Co-Vorsitzende der selbsternannten »Alternative« Alice Weidel, die mit Aussagen von sich reden macht, die so auch von der NPD hätten stammen können. Im »Sommerinterview« der ARD bezeichnete sie das Ende Nazi-Deutschlands als Niederlage, die sie nicht »befeiern« wolle.
Russische Botschaft Weidel wurde gefragt, warum sie im Gegensatz zu ihrem Kollegen Tino Chrupalla im Mai nicht am Empfang der Russischen Botschaft in Berlin am Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland teilnahm.
Weidels Antwort im Wortlaut: »Ich habe natürlich für mich entschieden – das ist eine persönliche Entscheidung gewesen –, aus politischen Gründen nicht daran teilzunehmen. Also, hier die Niederlage des eigenen Landes zu befeiern mit einer ehemaligen Besatzungsmacht, das ist etwas, wo ich für mich persönlich entschieden habe, auch mit der Fluchtgeschichte meines Vaters, daran nicht teilzunehmen.«
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte auf X (vormals Twitter): »Weidel stellt die Befreiung Nazi-Deutschlands durch die Alliierten als Niederlage Deutschlands dar. Dazu fällt mir ein Brecht-Zitat ein: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Oder kurz gesagt : #NiewiederFaschismus.«
Historische Rede In einem weiteren Tweet schrieb sie: »Für alle Skeptiker in den DruKos empfehle ich die historische Rede von BuPrä Weizsäcker zum 8. Mai nachzuhören«. Er hatte den 8. Mai 1945 darin einen »Tag der Befreiung« genannt. Mit »DruKos« meinte Paus »Drunter-Kommentatoren«, die auf ihren Tweet antworten würden.
Britta Haßelmann, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, postete auf X ebenfalls ein Autorenzitat: »Heinrich Böll schrieb in seinem Brief an meine Söhne: Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie den 8. Mai als Tag der Niederlage oder der Befreiung bezeichnen.«
Völlig unkommentiert Kritik kommt auch von der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (Die Linke). »Bin immer noch sehr irritiert, dass in der Tagesschau Frau Weidel zu Wort kam, mit der Geschichtsklitterung, die Befreiung Deutschlands von den Nazis sei eine Niederlage gewesen. Das Ganze blieb völlig unkommentiert. Das trägt zur rechten Diskurs-Verschiebung bei.«
Während die meisten führenden Politiker der demokratischen Parteien in Berlin das Weidel-Interview offenbar nicht sahen, kommentierten es bundesweit weniger bekannte Politiker, darunter Mario Dahm, der Bürgermeister von Hennef (SPD): »Wer diese Partei wählt, wählt Faschisten«, schrieb er. Imanuel Marcus