Eine israelische Soziologin hat in einer Studie herausgefunden, dass viele Frauen ihre Mutterschaft bedauern. Darüber wird heftig diskutiert – weniger über den Befund als über die Frage, ob man das sagen darf: Dürfen Mütter bedauern, Kinder bekommen zu haben? Aus der rabbinischen Praxis weiß ich, dass es das Phänomen gibt. Nicht oft und auch immer sehr unterschiedlich, aber: Ja, es gibt Frauen, die glauben, dass die Entscheidung für ein Kind falsch war.
schuld Das geht einher mit großen Schuldgefühlen, denn die Gesellschaft erwartet von Frauen, dass sie in ihrer Rolle als Mutter aufgehen. Schon in den Schriften zeigt sich, dass die Erzmütter mit dem Problem konfrontiert waren, dass die Männer sich in allen anderen Bereichen behaupten konnten, für die Frauen jedoch nur die Mutterschaft übrig blieb. Es gibt zwar etwa die Prophetinnen Mirjam und Deborah: Sie waren Ausnahmen, aber sie zeigen doch, dass ein anderer Entwurf möglich war und ist.
In der rabbinischen Diskussion gibt es viele Stimmen, die Frauen mehr Rechte einräumen. In der Frage, ob Jungen und Mädchen in gleichem Umfang Zugang zu Bildung haben und ob ihnen die gleichen Rechte zustehen sollen, gibt es kaum einen Dissens. Im Talmud geht es auch darum, wann ein Mensch erwachsen ist.
Vier Antworten werden gegeben: dass man selbstständig sein oder dass man die Tora gelernt haben soll, aber auch, dass man dann erwachsen ist, wenn man Kinder hat. Es gibt Rabbiner, die im Falle von Kinderlosigkeit dies so interpretieren, dass man auch als erwachsen gelten kann, wenn man Schüler hat, sich fürsorglich um junge Menschen kümmert.
israel In dieser Perspektive fallen uns viele Jüdinnen ein, die in der Frauenbewegung gewirkt haben, um Emanzipation und Gleichberechtigung zu erreichen. Das moderne Judentum bietet die Möglichkeit, sich zwischen verschiedenen Denominationen zu entscheiden. Das erleichtert auch die Entscheidung für bestimmte Lebensformen. Es dürfte kein Zufall sein, dass die viel diskutierte Studie über »regretting mothers«, aus Israel kommt. Israel ist eine moderne, offene, jüdische Gesellschaft, in der Frauen schon viel für die Verbesserung ihrer Situation erreicht haben.
Bei einer jüdischen Hochzeit wird an den Idealzustand gedacht, ehe Adam und Eva der Fluch ereilt hat. So gut wie den beiden soll es dem Brautpaar gehen. Und das zeigt doch, dass man miteinander glücklich wird, wenn die Ehe von gleichwertigen Menschen eingegangen wird, die sich auf Augenhöhe begegnen.
Die Autorin ist Gemeinderabbinerin in Oldenburg.