Bautzen, die ehemals böhmische Stadt in der Oberlausitz, besitzt einen besonderen Charme. Mehr als 1000 Jahre alt, Zentrum der sorbischen Minderheit. Alle Straßen sind hier zweisprachig ausgeschildert – auch der Kornmarkt. Und ausgerechnet diesen Platz, ja die ganze Stadt, wollen Neonazis seit Monaten für sich beanspruchen: »Bautzen den Deutschen«, riefen sie wieder in der vergangenen Woche.
Im Februar brannte der »Husarenhof«, nachdem bekannt geworden war, dass dieses Hotel Unterkunft für Flüchtlinge werden sollte. Die Täter wurden bis heute nicht ermittelt. Bautzener Rechtsextremisten beteiligten sich im vergangenen Jahr auch an Krawallen in Freital und Heidenau. Kaum Beachtung findet, dass sie nicht nur Jagd auf Flüchtlinge machen, sondern immer wieder auch auf sorbisch sprechende Jugendliche. Nicht selten werden sorbische Schriftzüge überschmiert und in den sorbisch-katholischen Dörfern der Umgebung Wegkreuze geschändet.
schuldfrage Nun die Ausschreitungen in Bautzen: Der seit Monaten brodelnde Konflikt eskalierte zwischen 80 Einheimischen und 20 jungen Ausländern. Die Schuldfrage ist eigentlich nebensächlich. Wer warf den ersten Stein? Aber genau das nehmen Rechtspopulisten zum Anlass, von der Stadt zu fordern, »die Missstände« zu beseitigen. Eine offene Drohung.
Die Bundesregierung verurteilte die Gewalt. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Gesetze sowohl von Asylbewerbern als auch von einheimischen Bürgern eingehalten werden. Vergessen wird dabei, dass es auch in Bautzen unzählige Menschen gibt, die Flüchtlingen helfen. Still. Uneigennützig. Und übersehen wird offenbar auch, dass sich nur wenige Einwohner an dem Asylprotest beteiligten. Doch die Lage bleibt angespannt, fühlt sich doch die Bautzener Neonaziszene nicht nur stark, sondern auch bestätigt.
Ein beängstigender Zustand. Trifft er doch alle Minderheiten. Flüchtlinge. Sorben. Juden.
Der Autor ist freier Journalist in Dresden.