Nur zwei Journalistenfragen waren bei der Pressekonferenz im Auswärtigen Amt in Berlin zugelassen, und so recht beantwortet wurden sie nicht. Vielleicht war die Veranstaltung auch deswegen vorab als »Pressebegegnung« angekündigt worden.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) und der Außenminister der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, Riad al-Maliki, bemühten sich am Dienstag (jedenfalls in ihren Statements) um Sachlichkeit, trotz der angespannten Lage und der oft recht hitzigen Debatten über Israels Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen.
Baerbock unterstrich einerseits Israels Recht auf Selbstverteidigung, warnte Israel andererseits aber vor einer Bodenoffensive in Rafah, im Süden Gazas. Sie forderte die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf, Schutzzonen und sichere Korridore für die mehr als eine Million Geflüchteten in Rafah einzurichten. Baerbock wörtlich: »Das Recht auf Selbstverteidigung, es gilt. Wie Israel hat jedes Land auch das Recht, sich gegen Terrorismus zu verteidigen. Aber das beinhaltet keine Vertreibung.«
Es müsse für die Zivilbevölkerung in Gaza sichere Orte geben, und auch die humanitäre Hilfe müsse weiter in die palästinensische Küstenenklave gelangen, so die Außenministerin. »Deswegen braucht es dringend humanitäre Feuerpausen.« Ihr sei bewusst, dass die Hamas dieses »unglaubliche Dilemma in ihrer Menschenverachtung ganz gezielt ausnutzt.« Am Mittwoch wird Baerbock erneut zu Gesprächen nach Israel und in andere Länder des Nahen Ostens fliegen.
Auch die Situation im Westjordanland und die Gewalt israelischer Siedler sprach Baerbock an. Das Leben für die Palästinenser werde immer schwieriger. »Ich habe selbst vor Ort mit Olivenbauern gesprochen, die nicht mehr zu ihren Feldern können, die sich um die Sicherheit ihrer Familien fürchten.« Den israelischen Siedlungsbau nannte sie »illegal«, er sei »ein massives Hindernis« für eine Zweistaatenlösung. »Wir schauen daher als EU genau hin und setzen uns auf EU-Ebene dafür ein, dass diejenigen, die solche Gewalttaten verüben, Konsequenzen spüren.« Auch die Administration von US-Präsident Joe Biden hatte vor kurzem Sanktionen gegen einige israelische Siedler verhängt. In Brüssel werden ähnliche Schritte geprüft.
»PA ist legitime Vertretung des palästinensischen Volkes«
Baerbock betonte jedoch auch, dass sich der 7. Oktober nicht wiederholen dürfe. »Hass und Terror müssen bekämpft werden. Auch das ist unsere gemeinsame internationale Verantwortung. Die Menschen in Israel müssen genauso sicher sein wie die Menschen in den palästinensischen Gebieten in einem zukünftigen Staat Palästina. Das Leid der Menschen in Palästina kann nur enden, wenn das Leid der Menschen in Israel endet. Und das Leid der Menschen in Israel kann nur enden, wenn das Leid der PalästinenserInnen und Palästinenser endet.«
Nur eine Zweistaatenlösung könne den Konflikt lösen. Allein militärisch gebe es hingegen keine Lösung. Die Palästinenser sehnten sich nach einem eigenen Staat, der ihnen Heimat und Hoffnung gebe. Eine Anerkennung eines Staates Palästina, so Baerbock eher kryptisch, stehe dann »im Rahmen eines Friedensprozesses«. Vor kurzem hatte der britische Außenminister David Cameron eine vorzeitige Anerkennung eines Palästinenserstaates ins Spiel gebracht.
Die palästinensische Autonomiebehörde (PA), auch das machte die deutsche Außenministerin klar, sei für sie »die legitime Vertretung des palästinensischen Volkes. Um diese wichtige Rolle voll auszufüllen, muss die PA auf sichere Finanzen zurückgreifen können und sich reformieren.«
Zu diesem Punkt äußerte sich anschließend auch Riad al-Malki. Der palästinensische Chefdiplomat bedankte sich zunächst herzlich für Baerbocks Engagement auch für die Sache der Palästinenser. Er sprach von »Mut, Glaubwürdigkeit und einer tiefen humanitären Dimension, die Sie persönlich gezeigt haben.« Die Palästinenser schätzten es auch sehr, dass die deutsche Außenministerin Israel an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnert habe.
Er habe in seinem Gespräch mit Baerbock »sehr detailliert über die Taten der Siedler, und ihre Pläne« gesprochen, so al-Maliki weiter. »Und ich glaube, dass es äußerst wichtig ist, dass diese Siedler in Schach gehalten werden, damit die unschuldigen palästinensischen Zivilisten im Westjordanland geschont werden.« Dann unterstellte er vage, dass die Regierung Netanjahu gezielt Unruhe unter palästinensischen Flüchtlingen schüre. Es sei »extrem wichtig«, daran zu arbeiten, diese Aktivitäten einzudämmen.
Treffen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz
Al-Maliki hielt sich aber mit allzu scharfer Kritik an Israels Adresse zurück – anders als sein Chef Mahmud Abbas im August 2022, als er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz Israel unterstellte, bereits »50 Holocausts« an den Palästinensern verübt zu haben. Der Außenminister sprach stattdessen von einem Vierpunkteplan für die Zeit nach dem Gazakrieg. Und er sprach über Reformen im eigenen Haus.
Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, so al-Maliki, werde es schon in dieser Woche Treffen geben, um über »die Zeit danach« zu sprechen. Diese Treffen dienten dem Aufbau eines palästinensischen Staates. Schon bald werde es einen konkreten Vorschlag geben, den man dann auch Deutschland, der EU und den USA vorlegen werden.
Al-Maliki endete sein Statement mit den Worten: »Vielen Dank, Annalena, für dieses konstruktive, effiziente Treffen, das uns allen helfen wird, Fortschritte zu machen.«