Vergangene Woche hatte die UN-Vollversammlung in New York eine weitreichende Resolution verabschiedet, in der unter anderem ein Waffenembargo gegen Israel gefordert wird. Der Text bezieht sich auf ein nicht rechtsverbindliches Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom Juli über Israels Präsenz im Westjordanland, Ost-Jerusalem und dem Gazastreifen, das die Vollversammlung 2022 in Auftrag gegeben hatte.
In der jetzt beschlossenen Resolution werden die UN-Mitgliedstaaten aufgefordert, konkrete Schritte zu unternehmen, um gegen die anhaltende Präsenz Israels im besetzten palästinensischen Gebiet vorzugehen. Dazu gehören dem Willen der Mehrheit zufolge auch Maßnahmen, um Einzelpersonen, Unternehmen und Einrichtungen daran zu hindern, Aktivitäten zur Unterstützung oder Aufrechterhaltung von Israels Präsenz durchzuführen.
Konkret forderte das UN-Gremium alle Staaten auf, die Einfuhr von Waren aus israelischen Siedlungen einzustellen und den Transfer von Waffen, Munition und zugehöriger Ausrüstung nach Israel zu stoppen, sofern der Verdacht bestehe, dass diese auf palästinensischem Gebiet eingesetzt werden könnten.
124 Staaten, darunter auch mehrere europäische wie Frankreich, hatten dem von den Palästinensern eingebrachten Text zugestimmt. Deutschland hatte sich gemeinsam mit 42 weiteren Ländern der Stimme enthalten, was nicht nur bei Israel auf große Kritik stieß. Vierzehn Mitgliedsstaaten, darunter die USA und Israel, stimmten mit Nein.
»Deutsche Politik wird von Israel-Kritikern beeinflusst«
In einem Gastbeitrag für die Tageszeitung »Welt« übte der israelische Außenminister Israel Katz am Wochenende scharfe Kritik an Deutschlands Abstimmungsverhalten. »Es scheint, als würde die deutsche Politik von Israel-Kritikern beeinflusst, die uns schaden wolle«, schrieb Katz. Er erwarte von der Bundesregierung, dass sie ihrer »diplomatischen und moralischen Verpflichtung gerecht wird und uns nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zur Seite steht«, so der Außenminister.
Das Auswärtige Amt rechtfertigte jedoch auf Nachfrage dieser Zeitung sein Abstimmungsverhalten. Eine Sprecherin erklärte, das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs gebe »wichtige Orientierung«. Es habe »deutlich gemacht, dass der Status quo in der Region keinen Bestand haben kann.« Die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten »ist völkerrechtswidrig und verbaut den Weg zu einer Zweistaatenlösung«.
Man werde, so die Sprecherin weiter, das IGH-Gutachten »respektieren, im Einklang mit den darin dargelegten Verpflichtungen des Völkerrechts handeln und seine Umsetzung in vollem Umfang unterstützen.«
Ohne eine ausgehandelte Zweistaatenlösung könne es keinen nachhaltigen Frieden im Nahen Osten geben. »Das vertreten wir nicht nur gegenüber unseren Partnern in der Region, sondern auch immer wieder in einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen. Nur so können die legitimen Sicherheitsinteressen Israels gewahrt werden. Und nur so können Palästinenserinnen und Palästinenser in ihrem eigenen Staat in Sicherheit und Würde leben«, erklärte sie.
»Resolution geht über IGH-Gutachten hinaus«
Dass Deutschland der Resolution der Vollversammlung dennoch nicht zugestimmt habe, liege daran, dass der Text in wichtigen Punkten über das IGH-Gutachten hinausgehe, unrealistische Fristen für den israelischen Abzug aus den besetzten Gebieten vorgebe und außer Acht lasse, dass es direkte Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien brauche. Auch die Sicherheitsinteressen Israels und sein Selbstverteidigungsrecht blieben, so die Sprecherin, in dem Resolutionstext unerwähnt. Deshalb habe Deutschland sich der Stimme enthalten. Im Dezember 2022 hatte Berlin hingegen noch mit Nein gestimmt, als es darum ging, das Rechtsgutachten beim IGH zu beauftragen.
Tatsächlich geht die nun von der Vollversammlung beschlossene Resolution in einigen Punkten über die Forderungen des IGH hinaus. So sollen Rüstungsexporte nach Israel bereits dann eingestellt werden, wenn Grund zur Annahme vorliege, dass die Waffen in den palästinensischen Gebieten zum Einsatz kommen könnten.
Allerdings sah es auch der Gerichtshof in seinem Gutachten als erwiesen an, dass alle Staaten verpflichtet seien, »keinerlei Hilfe oder Unterstützung zur Aufrechterhaltung der Situation zu leisten, die durch die fortgesetzte Anwesenheit des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten entstanden ist.«