Staatsbesuch

Austausch in Berlin

Freundschaftlich verbunden: Israels Präsident Rivlin und Bundespräsident Steinmeier Foto: picture alliance/dpa

Die beiden Präsidenten waren erkennbar erfreut, sich wieder von Angesicht zu Angesicht sehen zu können. »Besuche sind selten geworden in diesen Zeiten«, kommentierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, als er am Dienstag seinen »lieben Freund Ruvi« im Schloss Bellevue willkommen hieß. Die Kurzvisite von Reuven Rivlin in Berlin war nämlich die erste eines ausländischen Staatspräsidenten in Berlin in diesem Jahr.

Gemeinsam mit dem Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Aviv Kochavi, war Rivlin nach Berlin gekommen. Neben seinem Tête-à-tête mit Steinmeier stand auch ein Gespräch mit Außenminister Heiko Maas auf dem Programm. Im Anschluss flog das israelische Staatsoberhaupt nach Wien weiter, und am Donnerstag stand noch ein Gespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris an.

Rivlin zeigte sich »stolz und bewegt«, knapp ein Jahr nach seiner Rede vor dem Bundestag wieder in Berlin sein zu können. Als junger Mann habe er Mitte der 60er-Jahre noch persönlich an Protesten gegen die Ankunft des ersten Botschafters Deutschlands in Tel Aviv teilgenommen. Mittlerweile gebe es aber eine »echte Freundschaft« zwischen Israel und Deutschland, und als Präsident sei es nun seine Aufgabe, die Beglaubigungsschreiben deutscher Diplomaten entgegenzunehmen. Beide Länder verbinde aufgrund der Geschichte so etwas wie eine »Schicksalsgemeinschaft«, betonte der israelische Präsident.

AMTSZEIT Als offizieller Anlass der Europareise Rivlins wurden die wachsende Bedrohung durch die Hisbollah, die Verschärfung des iranischen Atomprogramms sowie die Ermittlungen gegen Israel durch den Internationalen Strafgerichtshof angegeben.

Da in Israel – wo der Wahlkampf gerade auf die Zielgerade einbiegt – der Ministerpräsident die Richtlinien der Außenpolitik bestimmt, war nicht klar, ob Rivlin eine Botschaft des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Gepäck hatte. Beobachter äußerten hinter vorgehaltener Hand die Vermutung, dass der 81-Jährige, dessen Amtszeit im Sommer endet, eher noch die Gelegenheit nutzen wollte, als Präsident einige Hauptstädte zu besuchen.

Zur Lage im Nahen Osten sagte Rivlin, es gebe zwar »Hoffnungsschimmer, dass die gemäßigten Stimmen in unserer Region stärker werden«. Damit meinte er die Abraham-Abkommen mit mehreren arabischen Ländern. Gleichzeitig wachse aber die Bedrohung durch den Iran. Die internationale Gemeinschaft müsse sich »entschlossen und kompromisslos« den »terroristischen Aktivitäten« Teherans entgegenstellen.

STRAFGERICHTSHOF Auch die umstrittene Entscheidung einer Kammer des Haager Strafgerichtshofs, Ermittlungen gegen Israel wegen möglicher Kriegsverbrechen im Gaza-Konflikt von 2014 zuzulassen, obwohl der jüdische Staat das Statut des Gerichtshofs nicht ratifiziert hat, kritisierte er. Rivlin sprach von einem »Missbrauch des internationalen Strafgerichtshofs«.

Das sei »gegen unsere Soldaten und Bürger« gerichtet. Israel vertraue darauf, dass Europa in dieser wichtigen Frage an seiner Seite stehe. Die Bundesregierung hatte vor Kurzem ihre Rechtsauffassung bekräftigt, dass man eine Staatlichkeit Palästinas nicht als gegeben sehe. »Das Gericht ist nicht zuständig, weil das vom Völkerrecht geforderte Element palästinensischer Staatlichkeit fehlt«, hatte Außenminister Heiko Maas im Februar erklärt.

Die Abraham-Abkommen mit arabischen Ländern sind Anlass zur Hoffnung im Nahen Osten.

Auf dieses Thema ging Frank-Walter Steinmeier in seinem Pressestatement im Anschluss an das Treffen mit Rivlin nicht ein. Er lobte aber Israel nicht nur für seine effiziente Impfkampagne, sondern auch für die Abraham-Abkommen. Diese verdienten die Bezeichnung »historisch«.

SORGEN Mit Blick auf die Rolle des Iran in der Region und das iranische Atomprogramm sagte der Bundespräsident, Deutschland nehme die Sorgen sehr ernst. »Wir teilen mit Israel das Ziel, die Entwicklung und den Erwerb nuklearer Waffen durch den Iran auszuschließen«, betonte er und lobte die angekündigte Rückkehr der Vereinigten Staaten zum Atomabkommen mit Teheran, das er 2015 als damaliger deutscher Außenminister mitausgehandelt hatte.

An der Politik Donald Trumps, der das Abkommen einseitig aufgekündigt und stattdessen eine härtere Gangart gegenüber dem Iran an den Tag gelegt hatte, übte Steinmeier ungewöhnlich deutliche Kritik. »Die Politik der amerikanischen Vorgängerregierung hat in den vergangenen Jahren nach unserer Auffassung keine Fortschritte gebracht und vielleicht sogar die Sorgen verschärft.«

Ob die Biden-Administration tatsächlich dem Atomabkommen neues Leben einhauchen kann, erscheint für die ehemalige Mossad-Abteilungsleiterin Sima Shine vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Israel zusehends fraglich.

Mit Blick auf die Rolle des Iran in der Region und das iranische Atomprogramm sagte der Bundespräsident, Deutschland nehme die Sorgen sehr ernst.

Bei einem von der Europe-Israel Press Association (EIPA) veranstalteten Webinar am Montag schätzte Shine die Chancen dafür nur noch auf 50:50 ein. Die Bereitschaft auf iranischer Seite, sich auf Kompromisse mit dem Westen einzulassen, sei in den vergangenen Wochen deutlich gesunken, meinte sie.

HARDLINER Auch Kasra Aarabi vom Tony Blair Institute for Global Change sieht die Hardliner, angeführt von den Revolutionsgarden, im Iran auf dem Vormarsch. Sie stünden kurz davor, den gesamten Staatsapparat unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Der amerikanische Nahostexperte Patrick Clawson sagte, weder der Iran noch der Nahe Osten insgesamt stehe für die Biden-Regierung auf der Liste der Prioritäten oben. »Während Obama unbedingt einen Deal mit dem Iran wollte, ist Biden nicht ganz so erpicht darauf«, so Clawson.

Wie die künftige israelische Regierung sich in dieser Frage positionieren wird, hängt möglicherweise auch von Reuven Rivlin ab. Er muss nämlich vor seinem Auszug aus dem Präsidentenamt in Jerusalem noch jene Person auswählen, die die neue Regierung anführen soll.

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