Wenn Guido Westerwelle vor der Bundestagswahl 2009 gefragt wurde, was ihn denn für das Amt des Außenministers prädestiniere, antwortete er gerne mit ernster Miene: »Ich treffe mich oft zum Frühstück mit Hans-Dietrich Genscher.« Das sollte so viel heißen wie: Mit einem solch erfahrenen Ratgeber kann nichts schiefgehen. Kompetenz durch Kontakt zur Kompetenz, liberale Tradition mittels Rückgriff auf einen liberalen Traditionsträger.
Doch seit Sonntag weiß der Noch-FDP-Boss wohl, dass ihm trotz aller gefühlten Nähe zum großen Vorbild ein langes Wirken als Chefdiplomat verwehrt bleiben wird. Mehr noch: Die restlichen Monate werden sich für den 49-Jährigen als weitgehend machtlose erweisen. Die Geschicke der deutschen Außenpolitik – gerade, wenn es um die heiklen Herausforderungen des Nahen Ostens geht – liegen nun allein in den Händen der Kanzlerin. Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt ...
Naher Osten Wie auch sonst? Westerwelle, seiner Parteiämter entkleidet, ist ein Außenminister auf Abruf. Ein Ex-König ohne Hausmacht. Einer, der deshalb auf die Gunst seiner ihm längst nicht mehr wohlwollenden Ziehsöhne angewiesen bleibt. Kaum vorstellbar, dass einer, der innenpolitisch derart am Boden liegt, deutsche Interessen in der Welt souverän vertreten kann. Doch Berlin ist insbesondere im Nahen Osten als »ehrlicher Makler« gefordert wie kaum eine andere Regierung.
Da braucht es Verlässlichkeit, fachliche Autorität und taktisches Geschick. All das lässt Westerwelle bislang schmerzlich vermissen. Die Enthaltung bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution der UN war nur trauriger Höhepunkt in einer Reihe von Versäumnissen der vergangenen Monate. Jetzt führt Angela Merkel de facto die außenpolitischen Geschäfte. Vielleicht kehrt so zumindest Prinzipientreue als feste Größe in die deutsche Diplomatie zurück.