Frau Di Segni, seit Montag ist Italien erneut im Lockdown. Wie gehen die Gemeinden damit um?
Es geht uns dieser Tage weniger um das übliche Gemeindeleben als um die Pessach-Vorbereitungen. Denn die erfordern viel Austausch – das geht nicht ohne direkten Kontakt. Wir haben einen Brief ans Innenministerium geschrieben, in dem wir um die besondere Erlaubnis für unsere Gemeindemitglieder bitten, den Wohnort zu verlassen, um die speziellen Lebensmittel zu kaufen, die man für Pessach braucht. Außerdem bitten wir darum, dass wir uns an Pessach in den Familien versammeln dürfen.
Die Regierung macht für Christen an Ostern gewisse Ausnahmen.
Genau das ist der Punkt. Wir haben in unserem Brief darum gebeten, dass für uns an Pessach dieselben Ausnahmen gelten wie für Christen an Ostern, dass man, um die Familie zu besuchen, in eine andere Stadt reisen darf. Wir wollen nicht bevorzugt werden, wir fordern nur dieselben Rechte, die anderen Religionsgemeinschaften eingeräumt werden.
Es wird das zweite Pessach im Lockdown. Wie ist die Stimmung in der Gemeinde?
Es ist für uns kein Schock wie im vergangenen Jahr. Trotz aller Erschöpfung haben wir uns inzwischen an die Beschränkungen gewöhnt. Wir versuchen, da gut durchzukommen und das Beste daraus zu machen. Vor Pessach ist manches online möglich, aber ein Online-Seder ist für uns als Institution keine Option, denn unsere Gemeinden in Italien sind orthodox. Privat kann natürlich jeder machen, was er will.
Wie ist die Lage beim Impfen? Sind die älteren Gemeindemitglieder und die Bewohner von Altenheimen inzwischen geimpft?
Es gibt keinen Unterschied zwischen uns und dem Rest der Bevölkerung. Das Impfen geht nur langsam voran. Und da AstraZeneca vorerst ausgesetzt ist, wird es wohl auch so bald keine hohe Impfrate geben. Rund 90 Prozent unserer über 80-jährigen Gemeindemitglieder sind aber inzwischen geimpft.
Der heutige Donnerstag ist in Italien ein Gedenktag für die Verstorbenen der Corona-Pandemie. Wie erinnert die jüdische Gemeinschaft an die Opfer?
Wann immer wir ein wichtiges Zusammentreffen haben, gedenken wir all derjenigen, die nicht mehr unter uns sind. Jede Gemeinde hat eine Liste derer, die an Covid gestorben sind. Was die religiöse Seite betrifft, habe ich beim Rabbinat angefragt, an welchem Tag die Namen der Corona-Toten einmal offiziell verlesen werden könnten. Sollte das aus religiöser Sicht möglich sein, dann wird es einen besonderen Gottesdienst zum Gedenken für sie geben. Doch eine noch viel größere Aufgabe für uns ist es, denjenigen in unseren Gemeinden zu helfen und beizustehen, die durch Corona nahe Angehörige verloren haben und sich jetzt unglaublich einsam fühlen.
Mit der Präsidentin der Unione delle Comunità Ebraiche Italiane (UCEI) sprach Tobias Kühn.