Ein grüner Provinzpolitiker namens Ulf Dunkel schreibt ein Gedicht über Juden und Muslime: »Wetzt das Messer, singt ein Lied, ab die Vorhaut von dem Glied.« Er versucht, sich zu entschuldigen, da habe er wohl nicht die »richtigen, maßvollen Worte« gefunden, doch etwa 90 Prozent der E-Mails, die ihn erreichen, seien zustimmend, ist zu hören.
Und 70 Prozent der Deutschen, so wurde repräsentativ ermittelt, lehnen die gesetzliche Legalisierung der Beschneidung ab. In der Frankfurter Allgemeinen, einer der führenden Zeitungen, heißt es zum Beschneidungsgesetz: »Die körperliche Unversehrtheit des einzelnen Kindes muss hinter der Unantastbarkeit der deutsch-jüdischen Symbiose zurückstehen.«
sonntagsreden Das ist ein Teil des Schadens, den die Debatte um die Beschneidung von Jungen im Judentum und im Islam angerichtet hat. Ein Landgericht hatte den zentralen Ritus zweier Weltreligionen für kriminell erklärt. Während die Politik schnell und ohne nennenswerte Missverständnisse reagierte, haben große Teile der Gesellschaft bewiesen, dass sie keinesfalls, wie es in Sonntagsreden so gerne heißt, ihre Lehren aus der Geschichte gezogen haben. Es scheint vielmehr, als hätten viele nur auf einen solchen Startschuss gewartet: Man wird doch noch mal sagen dürfen ... Das hat mit Antisemitismus nichts zu tun ... Ihr müsst euch auch mal anpassen ...
Nicht jede Einlassung gegen die Beschneidung ist antisemitisch, und wohl auch nicht jede Einlassung für sie war klug formuliert. Über vieles lässt sich sprechen, debattieren oder auch streiten, und das Judentum in Deutschland hat sich dieser Diskussion ja auch gestellt: Aufklärung über die religiöse Bedeutung der Brit Mila fand ebenso statt, wie die Bereitschaft zu erkennen war, über Narkose und Mohalimausbildung nachzudenken.
kompromiss Und dass beim nun verabschiedeten Gesetz der Kompromiss akzeptiert wurde, dass bei Jungen, die älter als sechs Monate sind, kein Mohel beschneidet – eine Regel, die für Konvertiten wie auch für nicht beschnittene Zuwanderer von Bedeutung ist –, wurde in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht gewürdigt.
Vor allem nämlich hat die Beschneidungsdebatte die sehr unangenehme Form einer neuen Unbefangenheit befördert. Fast so, wie der gemeine Staatsgegner mit fast 100-prozentiger Sicherheit sein weltrevolutionäres Werk der Abschaffung von Armeen, Polizeien und Gerichten am liebsten beim Staat Israel beginnen möchte, gebärdet sich das Gros der Beschneidungsgegner ganz allgemein als religionskritisch, nimmt aber letztlich doch immer sehr zielsicher nur das Judentum ins Visier.